WM-Vorschau Gruppe D: Wer kann Frankreichs Starensemble stoppen?
Favorit: Frankreich
Kann Frankreich diese Gruppe nicht gewinnen? Blickt man auf den Kader, sieht man internationale Klasse weit und breit, selbst an Position 20-26. Dass Trainer Didier Deschamps und die französischen Fans nicht auf einer Wolke nach Katar schweben, liegt zum ersten an der klassischen französischen Skepsis vor großen Turnieren: Zu oft war man schon klarer Favorit, zu oft ist man früh gescheitert - zuletzt im EM-Achtelfinale gegen die Schweiz, etwas historischer noch auf den Tag vor 29 Jahren beim kollektiven Trauma-Erlebnis in Paris, als man in den WM-Playoffs gegen Bulgarien ausschied.
Zum anderen gibt die Mannschaft des Weltmeisters einige Fragen auf. Da wären die vielen hochkarätigen Verletzungen vor dem Turnier: N'Golo Kanté, Paul Pogba, Presnel Kimpembe, nun auch noch Christopher Nkunku. Die, die mit nach Katar gereist sind, kommen mit unterschiedlichen Formkurven. Während Superstar Kylian Mbappé bei PSG wie am Fließband trifft und Aurélien Tchouaméni die Rolle des Sechsers aus dem Stand ausfüllen kann, ist mit Antoine Griezmann einer der Schlüsselspieler der vergangenen Jahre im Verein nicht mehr gesetzt. Gerade wegen dieser Unsicherheiten legte Weltmeistertrainer Deschamps viel Wert auf das "Wir"-Gefühl in der Mannschaft. Wenn das besteht und jeder für den anderen arbeitet, muss schon vieles gegen die Franzosen laufen, damit sie nicht sehr weit kommen.
Star der Mannschaft: Kylian Mbappé. Mit seiner Explosivität ist er von kaum einem Verteidiger auf der Welt zu bremsen. Die Argentinier von 2018 erinnern sich mit Schrecken. Kann er an diese Leistung anknüpfen, ist er einer der Kandidaten für den Spieler des Turniers.
Größter Erfolg: Weltmeister 1998, 2018; Europameister 1984, 2000
Flashscore-Prognose: Selbst wenn alle Spieler nur ihren schlechten Fuß benutzen dürfen, wird es für die Franzosen für Platz 1 in der Gruppe reichen. Rechnet man den Turnierbaum durch, gibt es im Viertelfinale das Duell der Giganten gegen England. Mit einer guten Tagesform sehen wir die Franzosen aber auch dort als Favorit. Platz 1 in der Gruppe und Aus erst im Finale.
Verfolger: Dänemark
Die Dänen sind im Aufschwung. Der Zehnte der FIFA-Weltrangliste (damit einen Platz vor Deutschland) ist nicht nur bei der EM 2021 ins Halbfinale gekommen, sondern hat in der Nations League beide Spiele gegen Weltmeister Frankreich gewonnen. Sie haben es geschafft, durch beachtliche Erfolge und ein frenetisches Publikum einen Geist zu entwickeln, der sie an guten Tagen selbst für absolute Top-Mannschaften gefährlich macht. Ein großer Teil der Anerkennung gebührt Trainer Kasper Hjulmand, der mit unterschiedlichen Formationen und Spielern immer den gleichen unterhaltsamen Fußball spielen lässt.
Personell gibt es bei den Dänen nicht viele Fragezeichen. Die Achse des Teams besteht aus erfahrenen Kräften wie Kasper Schmeichel, Simon Kjaer, Thomas Delaney und Christian Eriksen. Im Schatten dieser Stammkräfte haben sich aber weitere Waffen entwickelt, die die Skandinavier ziehen können: Jesper Lindström (Eintracht Frankfurt) und Andreas Skov Olsen (FC Brügge) spielen herausragende Saisons und könnten auch beim WM-Turnier starten. Einzig auf der Stürmerposition hat Trainer Kasper Hjulmand einige Sorgen: Jonas Wind, Yussuf Poulsen und Andreas Cornelius waren alle lange verletzt, so wird der Platz in der Startelf vermutlich an Kasper Dolberg gehen, der seinerseits in Sevilla oft von der Bank kommt.
Star der Mannschaft: Das Kollektiv. Auch wenn Christian Eriksen oft die Schlagzeilen bestimmt, lebt Dänemark von über Jahre eingespielten Automatismen aller Mannschaftsteile. Das macht sie sehr gefährlich.
Größter Erfolg: Europameister 1992, EM-Halbfinale 2021
Flashscore-Prognose: Obwohl bei einer WM viel passieren kann und man die Franzosen kein drittes Mal wird bezwingen können, geht Dänemark als Zweiter souverän durch die Gruppe. Im Achtelfinale geht es dann vermutlich gegen Argentinien, wo die Dänen über sich hinauswachsen müssen. Das sehen wir bei allem Lob nicht. Platz 2 in der Gruppe und Aus im Achtelfinale.
In Lauerstellung: Tunesien
Zum zweiten Mal hintereinander und zum sechsten Mal insgesamt nimmt Tunesien an einer WM-Endrunde teil. In Katar dürfen sie sich der lautstarken Unterstützung ihrer Fans sicher sein. Zudem kommt das Team in guter Form zur Endrunde: Seit dem Ausscheiden im Afrika Cup-Viertelfinale im Januar haben die Tunesier nur ein einziges Spiel verloren, nämlich gegen WM-Favorit Brasilien. Zuletzt gab es ein solides, wenn auch unspektakuläres 2:0 im Testspiel gegen Iran. Trainer Jalel Kadri, der zuvor als Assistent bei Nationalmannschaft gearbeitet hatte, bietet ein stabiles Team auf, das seine Stärken vor allem in der Defensive hat.
Dabei profitieren die "Adler von Karthago" von einem Block aus 16 Spielern, die entweder direkt in der Heimat oder zumindest im arabischen Raum spielen. Dazu gesellen sich einige Spieler, die entweder bereits zum Stammpersonal in guten europäischen Ligen gehören, oder dank ihres jungen Alters dort gerade die ersten Erfahrungen machen. Ankommen wird es vor allem auf die Defensive um Montassar Talbi vom FC Lorient und Ellyes Skhiri vom 1. FC Köln, die die solide Arbeit verrichten müssen, um den Kreativspielern Raum für Kreativität zu geben. Neben den routinierten Naim Sliti und Youssef Msakni ist es vor allem Manchester Uniteds Leihspieler Hannibal Mejbri, der für Aufsehen sorgen könnte. Tunesien könnte es entgegenkommen, dass sie in zweieinhalb von drei Gruppenspielen Außenseiter sind, denn hier können sie ihre Defensiv- und Konterqualitäten ins Spiel bringen. Sobald sie in Rückstand geraten oder selbst für Gefahr sorgen müssen, könnte der Glanz aber auch schnell vorbei sein.
Star der Mannschaft: Ellyes Skhiri. Nicht nur aus deutscher Sicht ist er der entscheidende Mann bei den Tunesiern. Er organisiert das Spiel, gewinnt wichtige Zweikämpfe und ist auch gefährlich in der Vorwärtsbewegung. Wenn er das Spiel kontrollieren kann, bleiben die Tunesier lange gefährlich.
Größter Erfolg: Afrikameister 2004
Flashscore-Prognose: Noch nie haben die Tunesier eine WM-Vorrunde überstanden und auch in diesem Jahr wird es sehr eng. Die individuelle Qualität ist zu gering, um den Dänen dauerhaft gefährlich zu werden, doch ein knapper Sieg gegen Australien könnte herausspringen. Mit respektablen Auftritten und Platz 3 in der Vorrunde geht's wieder nach Hause.
Außenseiter: Australien
Zwölf Jahre ist es her, dass die Australier zuletzt ein Spiel bei einer Weltmeisterschaft gewinnen konnten. Bei den letzten beiden Austragungen ging es ohne Sieg nach der Gruppenphase wieder nach Hause, und auch in diesem Jahr stehen die Sterne nicht besonders günstig. Die "Socceroos" haben eine holprige Qualifikation hinter sich, die in einem 0:0 nach 120 Minuten gegen Peru ihr würdiges Ende fand. Dort war es Ersatzkeeper Andrew Redmayne, der im Elfmeterschießen durch mimische und gestische Psychospielchen die Peruaner zur Verzweiflung brachte. Am Ende erreichten die Australier zum fünften Mal in Folge die Endrunde, doch wirklich viel erwartet niemand vom Team von Graham Arnold.
Das liegt vor allem an der fehlenden individuellen Klasse. Stars der Vorjahre wie Tim Cahill oder Mark Viduka werfen lange Schatten und werden nicht müde, das in Fernsehinterviews auch zu betonen. Mit diesem Niveau kann die aktuelle Mannschaft nur schwer mithalten. Die wichtigsten Spieler dürften die Premier League-erfahrene Mat Ryan im Tor und Aaron Mooy im zentralen Mittelfeld sein. Darüber hinaus kommen ganze sieben Spieler aus dem aktuellen Kader in der schottischen Liga. Welcher Fußball erwartet werden darf, ist also auch klar. Immerhin: Die Australier haben einige junge Talente dabei, für die das Turnier ein Karriere-Kick darstellen könnte. Aufpassen sollte man vor allem auf den 18-jährigen Stürmer Garang Kuol von Newcastle United, der bei der WM erst zu seinem zweiten Länderspieleinsatz kommen könnte.
Star der Mannschaft: Aaron Mooy. Der Mann von Celtic Glasgow muss quasi im Alleingang für Kreativität im Spiel der "Socceroos" sorgen. Oft spielt er sein ganz eigenes Tempo. Wenn das mal zum Tempo des Spiels passt, ist für die Australier etwas möglich.
Größter Erfolg: Asienmeister 2015
Flashscore-Prognose: Selbst im Vergleich zu den biederen Tunesiern scheint die Qualität im australischen Team noch geringer. Wenn sie es nicht schaffen, die Teams ihrer Gruppe in Kampfspiele zu zwingen, wird nichts zu holen sein für Mathew Leckie und Co. Wir sehen Platz 4 in der Gruppe und eine schnelle Rückkehr nach Down Under.