Transfer-Revolution? Fragen und Antworten zur Urteilsverkündung im Fall Diarra vs. FIFA
Was war passiert?
Die Auseinandersetzung begann 2014. Zwischen Diarra, der zuvor schon für Real Madrid, den FC Arsenal und den FC Chelsea gespielt hatte, und seinem damaligen Klub Lokomotive Moskau kam es zum Bruch. Diarra verließ den Verein wegen Gehaltskürzungen abrupt, nachdem er ein Jahr zuvor einen Vierjahresvertrag unterzeichnet hatte.
Lokomotive verklagte Diarra wegen Vertragsbruchs und die FIFA verhängte eine Geldstrafe von mehr als 10 Millionen Euro, die der Internationale Sportgerichtshof CAS bestätigte. Zudem musste jeder zukünftige Verein Diarras ebenfalls eine Strafe zahlen, weshalb der belgische Erstligist Royal Charleroi Abstand von einer angedachten Verpflichtung nahm.
Diarra und seine Anwälte gingen daraufhin juristisch gegen die FIFA vor. 2017 hatte ein belgisches Handelsgericht Diarra bereits in erster Instanz eine Entschädigung in Höhe von 60.001 Euro wegen des ausgefallenen Transfers zugesprochen.
Worum geht es rechtlich?
Diarras Anwälte, die 1995 schon den Belgier Jean-Marc Bosman in einem ähnlich aufsehenerregenden Fall vertreten hatten, sehen Verstöße im aktuellen System gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit und das Kartellverbot.
Maciej Szpunar, Generalanwalt des EuGH, hatte im April im Grundsatz zugestimmt. Es bestehe "kaum ein Zweifel am restriktiven Charakter der FIFA-Bestimmungen" über den Transferstatus von Spielern und "die angefochtenen Bestimmungen schränken naturgemäß die Möglichkeiten der Spieler ein, den Verein zu wechseln", hatte er ausgeführt.
Welche Auswirkungen könnte das Urteil haben?
Sollte Diarra Recht bekommen, könnten Spieler wohl künftig trotz bestehender Verträge leichter den Verein wechseln, Transfersummen für Topspieler könnten noch stärker in die Höhe schießen. Die Entscheidung des Richters wird deshalb wegweisend für die Entwicklung des Transfermarktes sein.
Die englische Boulevardzeitung Guardian fürchtet "Anarchie", die belgischen Sportrechtsexperten Robby Houben, Oliver Budzinski und Melchior Wathelet schrieben in einem Beitrag, das wahrscheinliche "praktische Ergebnis von Diarra" werde sein, "dass das Transfersystem im Fußball, so wie wir es kennen, zu Fall gebracht wird".
Gab es schon vergleichbare Fälle?
Ja, eben die "Bosman-Entscheidung" im Jahr 1995. Das Urteil zugunsten des belgischen Fußballers war maßgebend dafür, dass Spieler nach Ablauf ihres Vertrages ablösefrei den Verein wechseln dürfen.
Die Verantwortlichen von Bosmans Verein RFC Lüttich hatten 1990 dessen Wechsel zum französischen Zweitligisten USL Dunkerque blockiert, indem sie eine überhöhte Ablösesumme von umgerechnet rund 600.000 Euro forderten. Bosman wurden etwa 780.000 Euro Entschädigung zugesprochen.