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Emotionale Tischtennis-Legende Boll: "ich werde wirklich sehr viel vermissen"

Aktualisiert
Timo Boll hat am Dienstag sein letztes Spiel auf der großen Bühne bestritten.
Timo Boll hat am Dienstag sein letztes Spiel auf der großen Bühne bestritten.AFP
Fast bis Mitternacht stand Timo Boll in der kühlen Pariser Messehalle, lauschte geduldig den Lobpreisungen, schüttelte Hände, nahm lächelnd die Schulterklopfer hin, erfüllte jeden Gesprächswunsch, ob aus Deutschland, Schweden oder China. Wenn sich die Bedeutung eines Sportlers nach den Reaktionen bei seinem Abschied bemisst, dann war Tischtennisspieler Boll, den nach seinem olympischen Schlussakt in Paris Kollegen wie Gegner, Dirk Nowitzki wie der schwedische König und Fans aus aller Herren Länder feierten, ein sehr Großer.

"Im Nachhinein kann ich ganz zufrieden sein, wie die letzten 25 Jahre gelaufen sind", sagte Boll, der seine Wehmut gar nicht erst zu verbergen versuchte: "Ich werde wirklich vieles sehr vermissen."

Natürlich war der gebürtige Hesse, der fast zwei Drittel seiner 43 Jahre im Nationaltrikot verbracht hatte, nach dem frustrierenden Schlussakt seiner langen Laufbahn geknickt. 0:3 gegen Schweden im Viertelfinale des Teamwettbewerbs, Doppel- und Einzel-Niederlage für Boll, erstmals keine Medaille seit der Olympia-Premiere der Mannschafts-Konkurrenz 2008 - nach zweimal Silber und zweimal Bronze, stets mit Boll.

"Da war erstmal nur Leere", sagte er über die Momente nach dem Ende. Minutenlang saß Boll wie versteinert neben den konsternierten Teamkollegen Dimitrij Ovtcharov und Dang Qiu, ehe sich 6400 Zuschauer, darunter die eng mit Boll verkumpelte Basketball-Ikone Nowitzki und Schwedens Monarch Carl Gustaf XVI erhoben, um der Macht des Moments gerecht zu werden: Den internationalen Tischtennisspieler Boll gibt es nicht mehr, eine Ära ist beendet. Und was kommt, wird nur schwerlich so spektakulär werden wie das, was 27 Jahre lang war.

"Timo ist ein herausragender Spieler, der Größte, den wir je hatten", sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf am Dienstagabend. Für Ovtcharov erscheint "alles unfassbar, was Timo geleistet hat, was er im Sport bedeutet, im Tischtennis und im Allgemeinen." Und 1989er-Weltmeister Steffen Fetzner, der 1997 bei Bolls Länderspiel-Debüt noch mit diesem im Doppel angetreten war, sagte der Welt: "Er ist ein Jahrhundertspieler."

Boll ist nicht zu ersetzen

Einen solchen kann das deutsche Tischtennis nicht ersetzen, Karrieren wie jene Bolls sind unplanbar. Fast 40 Jahre lang besaß der Deutsche Tischtennis-Bund eine Lichtgestalt als Aushängeschild, erst Roßkopf, dann nach fließendem Übergang Boll. Wer soll da als Nachrücker gegenstrahlen? Ovtcharov beispielsweise besaß und besitzt gewaltiges sportliches Niveau, nicht aber Bolls Aura - und er wird im September 36.

"Wir haben gute Jungs, ich kann ohne schlechtes Gewissen abtreten", sagte Boll einerseits. Andererseits aber auch: "Andere Nationen haben brutal aufgeholt, sogar überholt. Da werden die Jungs ohne mich auch noch einmal eine Schippe drauflegen müssen."

Ganz ohne ihn? Wäre nicht denkbar, dass Boll schnell in die Verantwortung rückt, so wie einst Roßkopf 2010 quasi nahtlos aus der Spieler- in die Bundestrainer-Rolle schlüpfte? "Rossi macht einen super Job", sagte Boll, Ambitionen habe er da nicht, brauche vielmehr "ein, zwei Jahre, um den Kopf freizubekommen. Und dann schaue ich mal."

Und überhaupt: In zweieinhalb Wochen beginnt die Bundesliga, ein letztes Mal mit Boll, sein Herzensklub Borussia Düsseldorf hat ein Heimspiel. Es geht also noch ein bisschen weiter mit dem Tischtennisspieler Timo Boll. Und dann kommt zwar nicht Carl Gustaf, aber immerhin der ASC Grünwettersbach.