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Kommentar: Night Sessions im Tennis - Der Profit steht über dem Sportler

Heik Kölsch
Aktualisiert
Wird Jannik Sinners Rückzug aus Paris als Domino-Stein fungieren?
Wird Jannik Sinners Rückzug aus Paris als Domino-Stein fungieren?AFP
Jannik Sinner reist im November vor dem Achtelfinale des Paris Masters 2023 vorzeitig ab. In der Nacht zuvor hatte er sein Match erst um 2:30 Uhr in der Früh beendet. Sein nächstes Spiel wäre bereits für den folgenden Nachmittag angesetzt gewesen. Als eine "Entscheidung für meine Gesundheit" rechtfertige der italienische Superstar seinen Rückzug. Ein klares Statement an die Organisatoren des Masters, die zuvor bereits von Stan Wawrinka, Casper Ruud und Dominic Thiem für die späten Ansetzungen kritisiert worden waren. Aber auch an alle weiteren Organisatoren der Tennis-Welt.

Denn das Paris Masters ist beileibe nicht das einzige Turnier, das seine Gäste zu späten Stunden auf den Platz bittet. Immer beliebter werden die sogenannten "Night Sessions". Doch warum gibt es sie?

Night Sessions: Die Cash-Cows der Tennis-TV-Welt

"Das Fernsehen entscheidet. Das ist die Welt, in der wir leben", hatte Novak Djokovic nach seiner Viertelfinalniederlagen gegen Rafael Nadal bei den French Open 2022 gewütet. Das Geld regiert also die Welt.

In Europa sorgen späte Spiele dafür, dass sie auch in Amerika und Asien zu humanen Zeiten geschaut werden können. Amazon Prime zahlte den Organisatoren von Roland Garros rund 15 Millionen Euro für die exklusiven Übertragungsrechte der Abendspiele. Zusätzlich werden mehr Tickets am Abend verkauft, wenn Zuschauer nach der Arbeit die Stadien besuchen.

Doch aufgepasst: Zwar begrüßen viele, vor allem jüngere Fans die Night Sessions. Denn was gibt es Schöneres, als ein French-Open-Kracher zwischen Nadal und Djokovic an einem Freitagabend? Doch Tennis wird nun einmal nicht nach Zeit gespielt, sondern nach Punkten. 

So kann es schon einmal sehr spät werden. Genau wie bei eben jenem Viertelfinale zwischen den beiden Giganten, das im Mai 2022 unter der Woche um 1:15 Uhr am Morgen endete, als die Hälfte der Zuschauer bereits im Bett lag.

Und wer denkt an die Sportler?

Im Mittelpunkt der Kritik steht darübe rhinaus natürlich auch die Gesundheit der Athleten selbst. Nadal ist wie viele andere Tennisstars kein Verfechter der Nachtschicht: "Die meisten Leute sind sich nicht bewusst, dass ein Spieler mit dem Adrenalin, der benötigten Erholung und der Aufmerksamkeit für die Presse lange braucht, um zur Ruhe zu kommen", äußerte er Ende 2019 vor einem Davis Cup-Auftritt.

Swiatek im Rahmen der US Open 2023
Swiatek im Rahmen der US Open 2023Opta by StatsPerform/AFP

Auch der deutschen Nummer eins Alexander Zverev gingen späte Spiele schon des Öfteren unter die Haut: "Die Organisation der ATP war in dieser Woche eine absolute Schande. Zwei Tage in Folge ging ich nach 4.30 Uhr ins Bett", schloss sich Zverev im Rahmen des Madrid Masters 2022 der vielseitigen Kritik für die nächtlichen Spiele an.

Warum das Sinner-Statement nicht helfen wird

Jannik Sinner ist nun einen Schritt weitergegangen: Erstmals zieht sich ein Top-10-Spieler aufgrund der Ansetzung aus einem Turnier zurück. Doch wird es etwas bezwecken?

Ich wage es zu bezweifeln. Zwar gehört das Paris Masters als ATP 1000er Turnier zu der zweitwichtigsten Kategorie im Kalender des Tennis. Doch ist es wahrlich schwer vorstellbar, dass einer der Top-Spieler eine solche Nummer bei einem Grand Slam durchziehen würde.

Sinner selbst hat es während seinem Rückzug durchblicken lassen. Er wolle sich auf die kommenden "wichtigen" Ereignisse vorbereiten. Der Italiener spielt ab dem 12. November vor eigenem Publikum in Turin bei den ATP Finals, ein absolutes Highlight für den formstarken Südtiroler.

Lösungsansatz: Djokovics Spielervereinigung

Allerdings könnte der Sinner-Rückzug als eine Art erster Domino-Stein fungieren. Ein Ansatz wäre hierbei ausgerechnet die von Novak Djokovic im Oktober 2020 ins Leben gerufene Spielerorganisation. Die Professional Tennis Players Association (PTPA), die von der ATP, WTA und vielen Experten der Tennisbühne anfangs belächelt und kritisiert wurde, forderte nach dem Sinner-Rückzug bereits verstärkt nach Konsequenzen.

Das Ziel der PTPA ist es, die Spielerinnen und Spieler mit einer "selbst-regierenden Struktur, unabhängig von der ATP, zu versehen und direkter Ansprechpartner der Spieler zu sein", wie es im Gründerdokument hieß.

Insbesondere bei der ATP stieß die Initiative auf heftigen Gegenwind: "Wir sind überzeugt, dass es nicht sinnvoll sind, so etwas zu machen, weil die Spieler in der ATP so repräsentiert sind durch die Struktur wie in keiner anderen Sportart irgendein Sportler", hatte ATP-Turnier-Repräsentant Herwig Straka damals gekontert.

Athleten erzürnt - erfolgt ein gemeinsames Vorgehen?

Doch aktuell scheint es tatsächlich so, als gäbe es einen unüberwindbaren Interessenskonflikt zwischen Spielern und ATP, die laut Stan Wawrinka "blind auf die Organisatoren" hört.

Gleich mehrere Spielerinnen und Spieler haben kürzlich ihren Unmut über den Trend zur extremen Kommerzialisierung des Tennis kundgetan. Es herrscht eine Art Aufbruchsstimmung für Änderungen zugunsten der Athleten.

Mit Spannung dürfen wir demnach in den nächsten Monaten verfolgen, ob es eine Vereinigung wie die PTPA im Rahmen der aktuellen Diskussion, die neben den späten Spielzeiten auch den immer voller werdenden Spielplan auf der ATP- und WTA-Tour betrifft, schafft, die Mehrheit der Spieler zu vereinen und als eine Art Gewerkschaft gegen Entscheidungen der Turnierorganisatoren und der ATP vorzugehen.

Ein Kommentar von Heik Kölsch
Ein Kommentar von Heik KölschFlashscore