Sorgenfalten am Niederrhein, Fragezeichen am Neckar

Ersatzgeschwächte Borussia

Von Verletzungssorgen kann man in Mönchengladbach ein Lied singen. Der Ausfall von Stammtorhüter Yann Sommer wiegt schwer, denn sein Ersatz - Routinier Tobias Sippel - zeigte sich bislang nie hundertprozentig sattelfest. Bei der Pokalpleite gegen Darmstadt zog sich der 33-jährige Schweizer bekanntermaßen eine Verletzung am Sprunggelenk zu. Sommer wird in diesem Kalenderjahr kein Pflichtspiel für die Borussia mehr bestreiten. Ob er mit der Schweizer Nati zur WM in Katar fliegen darf, bleibt abzuwarten. 

Neben Sommer fallen zwei weitere Leistungsträger aus: Ko Itakura und Florian Neuhaus leiden beide an Knieverletzungen. Die beiden Österreicher Hannes Wolf (Schulter) und Stefan Lainer (Corona) fehlen ebenfalls, außerdem ist Nico Elvedi für die Partie gegen Stuttgart fraglich. Der Innenverteidiger hat sich unter der Woche eine Erkältung zugezogen.

Trotzdem entkam Daniel Farke bei der Pressekonferenz am Donnerstag ein Lächeln. Nicht aufgrund der Wechselgerüchte um Ramy Bensebaini - sondern weil der torgefährliche und extrem formstarke Algerier keineswegs so schwer verletzt ist, wie nach der unglücklichen Niederlage bei Union Berlin angenommen. Dass auch Jonas Hofmann wieder voll im Training ist, freut den Trainer ebenso wie die Rückkehr von Kouadio Koné. Der französische Mittelfeldspieler saß zuletzt eine Gelbsperre ab.

Die Borussia vom Niederrhein hatte ihre Form zuletzt nie ganz gefunden. Nach vier sieglosen Runden zum Auftakt, einem Remis beim FC Bayern inklusive, schien die Fohlenelf voll im Saft zu stehen und Kandidat für einen Champions League Platz zu sein. Ein Trugschluss, wie insbesondere die letzten fünf Ligaspiele bewiesen haben. Dreimal ging Farkes Mannschaft mit einer Niederlage vom Platz, zudem ist man laut Statistik das laufschwächste Team der Liga. 

Stuttgart kommt langsam in die Gänge

Das wird bei der Partie am Freitag jedoch kaum ins Gewicht fallen. Denn besonders viele Kilometer hat auch der VfB Stuttgart in dieser Saison nicht abgespult. In der “Lauftabelle” liegen die Schwaben nur zwei Plätze vor Mönchengladbach, also auf Platz 16. In der eigentlichen Tabelle ist der VfB geringfügig verbessert, Platz 15 steht dort zu Buche. 

Praktisch also, dass sich Interimstrainer Michael Wimmer als Glücksgriff erwiesen hat. Trotz bayerischer Abstammung kommt Wimmer im Schwabenland gut an. Obwohl ursprünglich bloß die Interimslösung, wurde Wimmer nach starken Auftritten bei den Heimspielen gegen Bochum (4:1), Bielefeld (6:0, DFB-Pokal) und Augsburg (2:1) eine Garantie gegeben: bis zur Winterpause darf Wimmer seinen Job in aller Ruhe verrichten.

Ein eindeutiges Commitment klingt natürlich anders. Offensichtlich will sich die zerstrittene Vereinsführung die Hintertür offenhalten, sollte noch ein profilierter Kandidat an Land gezogen werden können. Sebastian Hoeneß (40, zuletzt TSG Hoffenheim) und Alfred Schreuder (50, Ajax Amsterdam) sollen zu keiner Zusammenarbeit bereit gewesen sein. Mitte Oktober berichteten mehrere Medien übereinstimmend, der Däne Jess Thorup (52, zuletzt FC Kopenhagen) werde die Mannschaft übernehmen. Auch daraus wurde (noch) nichts.

Dass noch nicht feststeht, ob Sven Mislintat über diese Spielzeit hinaus beim VfB arbeitet, erschwert die Trainersuche erheblich. Der Draht zwischen Mislintat und dem Präsidium gilt als gestört. Woran teils die Bestellungen der DFB-Legenden Sami Khedira und Philipp Lahm Schuld tragen dürften. Khedira und Lahm agieren seit September als Berater des Vorstandsvorsitzenden Alexander Wehrle. Außerdem soll Christian Gentner soll ab 1. Januar 2023 die Lizenzspielerabteilung leiten. 

Der Vertrag des gebürtigen Dortmunders läuft 2023 aus. Die schwachen Ergebnisse zu Saisonbeginn (noch unter Pellegrino Matarazzo) schwächten Mislintats Position zusätzlich. Ihm wird vorgeworfen, keinen ausgewogenen Kader zusammengestellt zu haben. Zu viele Rohdiamanten, zu wenig gestandene Bundesliga-Profis.

Und tatsächlich: Das Durchschnittsalter beträgt 23,6 Jahre, der VfB stellt die jüngste Mannschaft der Liga. Trotz lauter Kritik, einige Akteure rufen Woche für Woche Spitzenleistungen ab. Im Spiel gegen Augsburg schlug beispielswiese Borna Sosa unglaubliche 20 Flanken - die Fohlen zeigten gegen Union bei hohen Bällen Schwächen. Die Hereingaben des Kroaten werden also für Coach Wimmer auch am Freitag eine wichtige Waffe sein.

Das Spiel wird von Schiedsrichter Dr. Matthias Jöllenbeck geleitet. Der gebürtige Freiburger ist seit 2020 in der Bundesliga aktiv und leitet in dieser Spielzeit bereits sein drittes Spiel der Gladbacher. Ein schlechtes Omen? Immerhin stand Jöllenbeck bei der bislang höchsten Niederlage in Bremen (5:1 für Werder, 8. Spieltag) auf dem Platz.

Doch auch in Runde 3 leitete er ein Spiel der Gladbacher, zuhause gegen die Hertha. Am Ende stand es 1:0 für die Borussia. Also wohl alles nur Zahlenspiele, die uns beweisen: die Wahrheit liegt auf dem Platz. 

Mögliche Aufstellungen

BORUSSIA MÖNCHENGLADBACH (4-3-2-1):

Sippel - Scally, Friedrich, Elvedi, Bensebaini - Weigl, Koné, Kramer - Stindl, Plea - Thuram

VFB STUTTGART (4-2-2-2):

Müller - Anton, Mavropanos, Ito, Sosa - Endo, Ahamada - Silas, Führich - Guirassy, Pfeiffer