Positiv wie negativ: Die größten deutschen Überraschungen im Sportjahr 2023
Die Entlassung von Julian Nagelsmann
Es war eine der größten Überraschungen des Jahres: Es ist Länderspielpause und der Fokus liegt eigentlich auf dem deutschen Nationalteam. Aber eben nur eigentlich. Der FC Bayern hat etwas dagegen und funkt dazwischen. Am Abend des 23. März 2023 sickert es langsam zu den Medien durch: Julian Nagelsmann ist nicht mehr Trainer des FC Bayern München. Am Folgetag bestätigen die Münchner es offiziell. Der inzwischen 36-Jährige räumt seinen Posten beim deutschen Rekordmeister, Thomas Tuchel beerbt ihn.
Viele Fans konnten es kaum glauben. Klar, die Bayern hatten am Wochenende zuvor die Tabellenführung und das Spiel gegen Bayer Leverkusen verloren, aber die Ausgangslage vor der in München "wichtigsten Zeit des Jahres" war immer noch sehr gut. Die Münchener hatten das Viertelfinale der Champions-League mit teils furiosem Fußball erreicht und dabei gegen Paris, Inter Mailand und den FC Barcelona sechs Siege in sechs Spielen eingefahren. Im DFB-Pokal hatte man ebenfalls problemlos die Runde der letzten Acht erreicht. In der Liga stand das direkte Duell mit Dortmund an, man konnte sich mit einem Sieg die Tabellenführung also sofort wieder zurückerobern. Doch die Bayern zogen die Reißleine.
Oliver Kahn fand folgende Begründung für die Entlassung des Trainers, den sich die Münchener eine Ablöse von stattlichen 20 Millionen Euro hatten kosten lassen: "Nach der WM haben wir immer weniger erfolgreich und attraktiv gespielt, die starken Leistungsschwankungen haben unsere Ziele in dieser Saison in Frage gestellt, aber auch über diese Saison hinaus. Deshalb haben wir jetzt reagiert." Hasan Salihamidzic ergänzte: "Das ist die schwierigste Entscheidung in meiner Zeit als sportlich Verantwortlicher des FC Bayern gewesen.
Neun Monate später sind auch Kahn und Salihamidzic längst Vergangenheit an der Säbener Straße. Julian Nagelsmann steht inzwischen für die deutsche Nationalmannschaft an der Seitenlinie. Im Sport kann es eben schnell gehen.
Sensationelles Silber in Finnland
"Ich muss ehrlich sagen: Ich habe für viele Tage gepackt, aber nicht bis morgen." Eishockey-Nationalspieler Nico Sturm hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit dem Finale der Eishockey-WM. Zumindest verriet das seine Kleidungsauswahl für das Turnier in Finnland im Mai des Jahres. Nach dem dramatischen 4:3 nach Verlängerung im Halbfinale gegen die USA stand der NHL-Profi glücklich, aber im sprichwörtlich letzten Hemd da: "Ich habe seit vier Tagen dasselbe Paar Socken an", gestand er. "Aber jetzt ist auch wurst, jetzt kann ich sie auch noch einen Tag mehr anziehen."
Aber von Anfang an: Nach einer wahren Absagenflut war das DEB-Team beim WM-Debüt von Bundestrainer Harold Kreis von vielen Zweifeln begleitet nach Finnland geflogen und mit drei knappen Niederlagen in das Turnier gestartet.
Dann feierte die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes sechs Siege in Folge, unter anderem sensationell gegen die US-amerikanische Auswahl in der Overtime. Das Spiel gegen die bis dahin ungeschlagenen Amerikaner begann denkbar schlecht mit einem schnellen 0:2-Rückstand. Es folgte allerrdings der Ausgleich in der vorletzten Minute durch Marcel Noebels und der Siegtreffer von Frederik Tiffels in der Verlängerung.
Damit war die erste WM-Medaille seit 70 Jahren bereits sicher. Für den eloquenten Augsburger Nico Sturm "schwer in Worte zu fassen".
Mit der richtigen Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern spielte sich die Nationalmannschaft sensationell ins Finale. Gegen die Kanadier wurde das Märchen dann nicht vergoldet, zu stark waren die Rekordweltmeister aus Nordamerika. Dennoch: Die deutsche Mannschaft überzeugte auf ganzer Linie und zeigte was mit den Tugenden Einsatz, Willensstärke und Teamgeist gegen stärkere Nationen möglich ist.
Das DBB-Team ganz groß
Angeführt von Spielmacher Dennis Schröder, der ein überragendes Turnier spielt und an dessen Ende zum MVP gekürt wird, wirbeln die deutschen durch die Gruppenphase. Japan und Finnland haben keine Chance, gegen Australien ziehen die Deutschen ein enges Spiel auf ihre Seite. In der Schlussphase zeigte die Mannschaft von Gordon Herbert Nervenstärke, ein wichtiges Attribut für die späteren Spiele.
In der Zwischenrunde wartete zunächst Georgien. Deutschland fuhr einen zumindest in der zweiten Hälfte souveränen 100:73-Sieg ein. "Ich werde mir erstmal einen Proteinshake reinpfeifen, mich in die Eistonne legen und dann gucken wir mal. Dann können wir uns um Slowenien kümmern", sagte Moritz Wagner nach dem Sieg über Georgien.
Und die Deutschen kümmerten sich um die hoch gehandelten Slowenen um Superstar Luka Doncic. Dennis Schröder führte das deutsche Team an, die weiterhin auf den am Fuß verletzten Franz Wagner verzichten mussten. 24 Punkte gelangen dem Braunschweiger, Deutschland schlug die Slowenen überraschend deutlich mit 100:71. Makellos zogen die Deutschen in die Finalrunde ein.
Lettland sollte der erste Stolperstein auf dem Weg zu etwas ganz Großem sein. Die Letten hatten mit starkem Teamspirit überzeugt. Deutschland rang die Letten nieder, Franz Wagner feierte sein Comenback mit starken 16 Punkten.
Es folgte ein sensationelles Halbfinale gegen die Amerikaner, bei dem Andreas Obst über sich hinaus wuchs und Deutschland mit 24 Punkten, davon vier Drei-Punkte-Würfe, ins Finale hievte. Ein Sieg gegen die schier übermächtigen Amerikaner hatte zuvor aussichtslos erschienen, doch Deutschland wuchs über sich hinaus.
Im Finale wurde es gegen Serbien zu einer Schlacht, die am Ende mit einem 83:77-Sieg an die Deutschen ging. In Manila krönten sich die Männer von Bundestrainer Gordon Herbert zum Weltmeister! Zum ersten Mal in der Geschichte!
Aus in der Gruppenphase
Es war perfekt losgegangen. 6:0 gegen Marokko. Deutschland unterstrich im Auftaktspiel der Gruppe H die Favoritenrolle bei der Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland. Die deutschen Frauen dominierten Ball und Gegner nach Belieben und schossen einen deutlichen Sieg heraus. Die größten Zweifel nach einer holrigen Vorbereitung auf das Turnier - man unterlag Sambia mit 2:3 und konnte die Vietnamesinnen nur mit Mühe mit 2:1 besiegen - wurden beseitigt.
Doch dann folgte ein Bruch im Spiel der Mannschaft von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Gegen Kolumbien zeigte die deutsche Mannschaft ein vollkommen anderes Gesicht und ließ sich von der stabilen Defensive der Südamerikanerinnen verunsichern. Konsequent gingen sie in Rückstand, die 18-jährige Linda Caicedo erzielte die Führung für die Außenseiterinnen.
Deutschland fehlten die Mittel, erst ein Elfmeter kurz vor Schluss brachte den ersehnten Ausgleich. Doch das half nichts, denn nach einer Ecke tief in der Nachspielzeit kam Manuela Vanegas frei im deutschen Strafraum zum Kopfball und sorgte für den Sensationssieg der Kolumbianerinnen. Den ersten Matchball hatten die deutschen also vergeben, gegen Südkorea sollte der zweite folgen.
Keine Kreativität, kein Tempo, kein Spielwitz. Deutschland ließ gegen die Koreanerinnen alles vermissen. Die hohen Favoritinnen aus Deutschland kamen nicht über ein 1:1 hinaus und da die Marokkanerinnen im Parallelspiel Kolumbien besiegte reichten die vier Punkte der deutschen Mannschaft nicht zum Weiterkommen. Als klarer Favorit war man in die Gruppenphase gestartet, als drittplatziertes Team ausgeschieden. Es war eine Premiere. Nie zuvor waren die Deutschen in der Gruppenphase gescheitert. Der negative Höhepunkt eines schwachen Jahres.