Monaco Grand Prix 2023: Der Circuit de Monaco in der Analyse
Mittelmeer, Palmen, Luxusyachten und ein Boulevard der Eitelkeiten – dazu 20 Formel 1-Fahrer, die ein Rennen bestreiten. Das kann nur eines bedeuten: Der Grand Prix von Monaco steht an. Die Formel 1 macht an der Côte d’Azur halt. Ein Highlight, auf das sich nicht nur die ganze Motorsportwelt, sondern auch der internationale Jetset freut. Es ist das offiziell siebente Rennen im Rennkalender. Aber aufgrund des – im wahrsten Sinne des Wortes – ins Wasser gefallenem Grand Prix Emilia-Romagna (Imola), ist der Große Preis von Monaco, das sechste Rennen der Saison 23' und das 69. Formel-1-Rennen der Geschichte des Circuit de Monaco.
Reich trifft schön
Der Grand Prix von Monaco ist das vermutlich kurioseste Rennen der Formel 1. Auf und hinter der Strecke der Absurdität ganz nahe. Denn vor und hinter den vibrierenden Leitplanken, kann es skurriler kaum zugehen. Innerhalb, schlittern die F1-Rennautos durch die Kurven, tänzeln über die Randsteine und rasen oft nur wenige Zentimeter an einem Totalschaden vorbei. Außerhalb der Leitplanken hat der internationale Jetset, teilweise nicht einmal einen Blick dafür übrig.
Ob vornehme ältere Herren, für die eine Rolex am Handgelenk nur einem Ausrüster Fußballschuh Kylian Mbappés gleich kommt, oder spärlich bekleideter junge Mädchen, die am Hafen entlang stolzieren und sich anschließend mit einem Gläschen Moët & Chandon Dom Pérignon auf einer der vielen Luxusyachten im Hafenbecken bräunen.
Doch das, was den Grand Prix für Motorsport begeisterte so einzigartig macht und worauf es für die Fahrer beim Durchqueren der engen Straßen ankommt, beleuchten wir für Euch in unserer Streckenanalyse. Der Circuit de Monaco ist ohne Frage eine legendäre Rennstrecke. Vermutlich die berühmteste „Rennstrecke“ der Welt und ein fester Bestandteil des Formel-1-Kalenders. Monte-Carlo ist der Inbegriff von Glamour, Tradition und Motorsport. Beim Circuit de Monaco handelt es sich um eine temporäre Rennstrecke, die für den Motorsport im Allgemeinen und der Formel 1 im Speziellen, genutzt wird. Das heißt, dass die Straßen eigens zu einem Formel1-Grand Prix von Verkehrsschildern und sonstigen Hindernissen befreit werden, um ein möglichst risikoarmes Rennen zu gewährleisten.
Die Strecke wurde erstmals 1929 für den Grand Prix von Monaco im Rahmen eines vom "Automobile Club de Monaco" organisiertem Rennen genutzt. 1950 ertönten zum ersten Mal Formel 1-Motoren in Monaco und das Fürstentum kurzzeitig Teil des Formel 1-Rennkalenders. Sieger des Premieren-Rennens war der Argentinier Juan Manuel Fangio. Es dauerte jedoch fünf Jahre, bis 1955 der zweite Formel 1 Grand Prix folgte. Aber seitdem ist der Große Preis von Monaco fester Bestandteil des Rennkalenders. Einzig 2020 fiel der Grand Prix der Corona-Pandemie zum Opfer.
"Rennfahren in Monaco ist wie Hubschrauberfliegen im Wohnzimmer"
Der Circuit de Monaco hat seitdem zahlreiche Veränderungen erfahren. Heute ist die Strecke 3,337 Kilometer lang und besteht aus 19 Kurven, davon elf Rechtskurven und acht Linkskurven, die sich durch die engen Straßen von Monte-Carlo schlängeln. Der Rennkurs ist bekannt für enge Kurven, steile Anstiege und atemberaubende Ausblicke auf das Mittelmeer. Es werden 78 Runden absolviert, womit eine Distanz von 260 Km zurückgelegt wird. Der ein oder andere findige Leser stellt sich womöglich die Frage: Müssen für einen Formel 1 Grand Prix nicht mindestens 305 Km überschritten werden? Die Antwort: Jein! Denn wie so oft gibt es auch hier für Monaco eine Ausnahmeregelung, da ansonsten das Rennen vermutlich weit über zwei Stunden andauern würde – dies ist aber selbst in Monaco nicht erlaubt.
Der Circuit de Monaco ist die anspruchsvollste Strecke im Formel-1-Kalender. Die von Leitplanken umsäumten engen Kurven und schmalen Straßen erfordern ein hohes Maß an Präzision und Konzentration von den Fahrern. Einmal von der Ideallinie abgekommen oder zu spät gebremst, kann das Rennen für den Fahrer frühzeitig beendet sein. "Rennfahren in Monaco ist wie Hubschrauberfliegen im Wohnzimmer", sagte einst der dreifache Weltmeister Nelson Piquet über den Rennkurs. Die Strecke ist auch für ihre wenigen bis kaum vorhandenen Überholmöglichkeiten bekannt, was bedeutet, dass die Qualifikationsergebnisse oft entscheidend für den Rennausgang sind.
Loews Harnadelkurve mit vollem Lenkeinschlag und 50 Km/H
Los geht es bei Start-Ziel auf dem Boulevard Albert 1er. Beim Anbremspunkt vor Kurve 1 – der Sainte-Dévote, beträgt die Geschwindigkeit etwa 290 Km/H. Dieser sollte genau erwischt werden, da die Rechtskurve in einem sehr spitzen Winkel genommen werden muss. Links und rechts sind bereits die Leitplanken, die keine Fehler verzeihen.
Viel Schwung muss versucht werden aus der Kurve mitzunehmen, denn es geht direkt Berg hoch auf der Avenue d'Ostende. Die Sicht geht für den Fahrer gen Himmel, sodass der Einlenkpunkt quasi nicht zu sehen ist. Auf der Avenue de Monte-Carlo geht es mit knapp 270 Km/H in eine weite Linkskurve. Die Kurve am Casino hat im Grunde zwei Scheitelpunkte. Nicht einfach für die Fahrer, die richtige Linie zu treffen. Im Idealfall nimmt der Fahrer mit dem linken Vorderreifen die Kerbs nahe der Leitplanke mit, um dann auch den zweiten Scheitelpunkt gut treffen zu können, bevor es in die abfallende Rechtskurve, die Avenue des Spélugues geht. Dabei verläuft die Ideallinie über eine Kuppe, die rechts umfahren werden sollte, da man ansonsten nicht nur ein paar Zehntel verlieren wird, sondern je nach Fahrzeugabstimmung auch gerne mal mit dem Unterboden aufsetzt und abhebt.
Es folgt einer der langsamsten Rechtskurven im Rennkalender, der Mirabeau Haute. Abwärts zur Haarnadel, früher als Loews bekannt, heute Grand Hotel Hairpin genannt. Diese geht links herum. Unvergleichlich, mit vollem Lenkeinschlag – einmalig in einem Formel 1-Auto. Dies ist die langsamste Stelle und die einzige im ersten Gang zu fahrende Kurve aller Formel-1-Rennstrecken. Sie erfordert eine spezielle Lenkungsübersetzung, die für ein Formel 1-Fahrzeug normalerweise nicht vorgesehen ist. Die Fahrer versuchen innen den linken Kerb anzupeilen, aber dadurch, dass das innere Rad so stark entlastet ist, gelingt dies häufig nicht. Einige Fahrer versuchen den inneren Kerb mit dem linken Hinterreifen zu treffen, um somit das Auto leichter zu drehen und in Position zu bringen, ähnlich als würde man die Handbremse ziehen. Das Ganze im ersten Gang bei nur 50 Km/H!
Ascari und Hawkins machten Bekannschaft mit dem Hafenbecken
Anschließend geht es nach einer Doppel-Rechtskurve in den Tunnel unter dem Fairmont-Hotel hindurch. Die unterschiedlichen Lichtverhältnisse sind sicherlich nicht allzu angenehm für die Fahrer, sowohl bei der Tunnel Ein- und Ausfahrt – wobei dies aus Zuschauerperspektive in der Onboard-Kamera etwas extremer erscheint. Alle vier Zehntel wird im Tunnel hochgeschaltet und bei Tempo 290 Km/H kommt der kaum einsehbare Anbremspunkt am Tunnelausgang auf die Fahrer zugerast. 1994 crashte Karl Wendlinger folgenschwer Ausgangs des Tunnels und rutschte seitlich durch die Hafenschikane gegen eine Absperrung. Der Österreicher lag anschließend wegen schwerer Kopfverletzungen wochenlang im Koma. Aus diesem Unfall hat man gelernt: Die Hafenschikane wurde durch Reifenstapel gesichert, für das Cockpit wurde ein seitlicher Kopfschutz Vorschrift.
Jene Hafenschikane folgt nach dem Tunnelausgang, sie ist die schnellste Stelle des Kurses, heißt offiziell Nouvelle-Schikane. Alberto Ascari stürzte hier 1955 samt seines Lancia-Ferraris ins Hafenbecken, konnte aber durch Matrosen unversehrt aus dem Wasser gerettet werden. Der Australier Paul Hawkins tat es ihm 1965 gleich. Auch er kam mit dem Leben davon.
Der Scheitelpunkt der Schikane ist die innere Leitplanke, allerdings diesmal ohne umrahmten Kerb. Um also ideal die Schikane zu durchqueren, muss man quasi mit der Außenseite des linken Vorderreifens die Leitplanke leicht küssen, um dann den Wagen wieder frühzeitig nach rechts zu drehen, um den Schwung bestmöglich mitzunehmen.
Schwimmbad-Schikane gilt als einer der gefährlichsten F1-Kurven der Welt
Denn anschließend kommt wieder ein Beschleunigungsstück, eine kurze Gerade führt zur Kurve 12, die relativ flüssig zu durchfahrende "Tabac" zum Schwimmbad hoch. Dort wartet auf die Fahrer einer der gefährlichsten Kurven des Formel-1-Rennkalenders. Die sogenannte „Schwimmbad-Schikane“. Als die Stelle zwischenzeitlich mit Leitplanken versehen war, wussten die Piloten, wie weit sie gehen konnten. Der Umbau 2015 sollte mit dem Wegfall der Leitplanken die Sicherheit erhöhen, hat die Schikane fahrerisch jedoch verschlimmbessert, weil sie wie ein einziger Kompromiss wirkt.
Die Fahrer sind ständig auf der Suche nach der besten Abkürzung - was nicht selten im Desaster endet. Max Verstappen weis davon ein Lied zu singen. Sowohl 2016 als auch 2018 crashte er dort. War es 2016 wohl ein Aufhängungsschaden, konnte 2018 davon keine Rede sein. Auf einer schnellen Runde im dritten Freien Training kam es erneut zum Unfall und der dadurch bedingten Nicht-Teilnahme am Qualifying. Er wollte den Eingang der Schikane (zu)eng nehmen, um möglichst viel Tempo beim Ausgang mitzunehmen. Doch beim Einlenken schlägt er rechts innen an und fährt dadurch geradeaus in die Mauer.
Normalerweise gehts zuvor beim Einlenken in die Linkskurve mit etwa 240 Km/H und anschließend mit über 200 Km/H durchs Schwimmbad durch. Anschließend bei 230 Km/H kurz anbremsen, rechts innen anfahren, Leitplanke leicht berühren und Schwung mitnehmen. Nun geschmeidig durch die Rascasse-Kurve und abschließend durch die enge Doppel-Rechtskurve zurück zur Einmündung auf die Boxengasse oder zu den Kurven 17 und 18, auf die Start-Ziel-(Halb)Gerade – den Boulevard Albert 1er.
Boxengasse verläuft entlang eines Schwimmbads
Nicht nur der Stadtkurs als solcher, auch die Boxengasse und das Fahrerlager unterscheidet sich von permanenten Rennstrecken deutlich. Neben der Zielgeraden gab es gerade einmal genug Raum für eine Boxenanlage, die hier anders als an den meisten Rennstrecken zwischen der Start-Ziel-Geraden und der Boxengasse liegt. Direkt neben der Boxengasse folgt schon ein Schwimmbad. Das zwingt die Teams zu Kompromissen bei der Unterbringung ihrer Ausrüstung. Die Teams haben nur Räume im Boxengebäude, alles andere wird abseits der Strecke ausgelagert. So findet man die Motorhomes und das Fahrerlager am Südende der Strecke.
Rekordsieger Ayrton Senna
An der Formel 1 Strecke von Monaco scheiden sich die Fahrer-Geister. Die einen lieben sie, die anderen hassen sie – dazwischen gibt es nicht viel. Eine Strecke, die polarisiert. Die Fahrer müssen insbesondere im Qualifying mit äußerster Präzision zu Werke gehen. Einmal an einer der Leitplanken angestoßen, ist die Qualifikation schneller vorbei als einem lieb ist. Und während die Fahrer auf so manchen Rennkursen, dank DRS schnell von hinten durchs Feld pflügen können, ist überholen selbst mit einem überlegenen Formel-1-Boliden in Monaco nahezu unmöglich. Das musste auch Nigel Mansell im Jahr 1992 leidvoll erfahren. Nach einem unplanmäßigen Boxenstopp kam er hinter Ayrton Senna wieder auf die Strecke. In nur zwei Runden holte er 5,2 Sekunden Rückstand auf seinen Erzrivalen Senna auf. Doch trotzdem Senna mit seinen abgefahrenen Reifen nur noch um den Kurs rutschte, gelang es ihm Mansell bis zum Ende des Grand Prix hinter sich zu halten.
Der brasilianische Formel-1-Pilot Ayrton Senna konnte übrigens insgesamt sechs Rennen auf dem Circuit de Monaco für sich entscheiden und ist damit Rekordsieger.