Plötzlich Goldjäger: Uscins und die deutschen Handballer "wollen jetzt alles"
Ein typischer Uscins. Der 22 Jahre alte Rückraumspieler fliegt gern unter dem Radar. Für einen Handballer ist der unscheinbare Linkshänder nicht besonders groß. Er ist nicht besonders breit. Und er ist vor allem nicht besonders laut. Wenn er nach Spielen nach seinen Heldentaten befragt wird, lobt Uscins lieber seine Mitspieler, als sich selbst in den Mittelpunkt zu rücken.
Das Schwelgen in Superlativen überließ Uscins auch nach dem irrwitzigen 35:34 gegen Frankreich lieber den anderen. Dabei war es nicht weniger als eine Handball-Sternstunde, die das junge deutsche Team im Olympia-Viertelfinale erlebte. Und Uscins, die Rückraum-Rakete, der eiskalte "Killer" mit dem Babyface, spielte dabei die Hauptrolle, das Spiel seines Lebens.
In Lille geht es für Uscins und das junge deutsche Team nun plötzlich um eine Medaille. Mehr noch: Besiegt Deutschland im Halbfinale am Freitag (16.30 Uhr/ZDF und Eurosport) auch den WM-Dritten Spanien, geht es ums erste gesamtdeutsche Olympia-Gold im Handball, den ersten Titel seit dem legendären DDR-Triumph 1984. "Jetzt wollen wir alles. Das ist doch ganz klar. Jetzt willst du das Beste und das Beste ist Gold", sagte Linksaußen Rune Dahmke.
Die Gier nach Gold vernebelt in der deutschen Mannschaft aber niemandem die Sinne. Uscins, der wie Torhüter David Späth vor einem Jahr noch bei der Junioren-WM auflief, schon mal gar nicht. Man müsse gegen die erfahrenen Spanier, gegen die Deutschland in der Vorrunde (33:31) bereits gewann, nochmal "denselben Kampf zeigen" wie beim epischen Erfolg gegen Frankreich. "Sonst spielen wir ganz schnell um die bronzene", sagte Uscins. Sein Rezept? "Wir wollen den Flow mitnehmen!"
Neue Generation macht Mut
Selbst wenn es am Ende nicht für die ersehnte (Gold-)Medaille reichen sollte, steht nach den erfrischenden Olympia-Auftritten mit dem Gruppensieg in der Vorrunde und dem epochalen Viertelfinal-Fight vor fast 30.000 französischen Fans eines schon fest: Der deutschen Mannschaft gehört die Zukunft. Mit Uscins, dem ebenfalls erst 22 Jahre alten Keeper David Späth, Kapitän Golla (26), Julian Köster (24) und Spielmacher Juri Knorr (24) haben die Leistungsträger sogar noch Entwicklungspotenzial.
Die Zukunft ist das eine - in Lille bietet sich in den kommenden Tagen aber schon die historische Chance auf eine goldene Gegenwart. Eine Chance, die sich im deutschen Team keiner entgehen lassen will. "Wenn wir wieder mit dem vierten Platz ausscheiden oder rausgehen, dann kann man auch sagen, es war vielleicht eine Eintagsfliege und die Deutschen haben Glück gehabt", sagte Golla, "das wollen wir natürlich nicht. Wir wollen schon zeigen, dass wir zurecht da sind und wollen auch endlich mal was mit nach Hause bringen."