Gold das erklärte Ziel - Adrenalin-Junkie Wellinger heiß auf die Flug-WM
Andreas Wellinger liebt den Nervenkitzel, egal ob auf dem Surfbrett oder beim Klettern. "Wenn das Adrenalin in mein Blut schießt, bin ich glücklich", sagt der Bayer. Der größte Kick wartet auf Deutschlands besten Skispringer aber ab Donnerstag: Auf der Mega-Schanze am Kulm beginnt mit der Skiflug-WM das zweite Highlight des Winters. Wie schon bei der Vierschanzentournee will Wellinger auf das Podest - und im Idealfall sogar Gold holen.
"Wir haben bei der WM noch einmal 100 Meter mehr Flug als zuletzt. Da kann ich meine Stärken ausspielen, wenn ich auch im hohen Weitenbereich einen sauberen Telemark setze. Wenn mir das gelingt, ist alles möglich", sagt der seit Wochen starke Wellinger. Acht Podestplätze hat der 28-Jährige in diesem Winter schon geholt, bei der jüngsten Polen-Tour sammelte er in der Summe aller elf Sprünge sogar mehr Punkte als der überragende Österreicher Stefan Kraft.
Sollte Wellinger diese Form auch in Bad Mitterndorf abrufen - wo der Schanzenrekord bei 244,0 m liegt - ist eine Einzel-Medaille in den insgesamt vier Durchgängen am Freitag und Samstag durchaus möglich. Für den DSV-Adler wäre es die erste im Fliegen, sein bestes WM-Ergebnis ist bislang ein siebter Platz 2018 in Oberstdorf. Im Teamwettkampf, der traditionell den Abschluss am Sonntag bildet, holte er 2016 und 2022 Silber.
Hannawald glaubt an Wellinger
Für den ganz großen Coup muss Wellinger vor allem die Umstellung auf den Monster-Bakken bewältigen. "Wenn du abspringst, brauchst du eine Brille, um bis unten zu schauen", sagt Sven Hannawald, der 2000 und 2002 Gold holte: "Der Flug vergeht wie in Trance, du hast nur Gänsehaut, nur Adrenalin. Das bekommst du das ganze Wochenende nicht weg - vorausgesetzt, dass die Form stimmt. Bei Andreas Wellinger bin ich überzeugt, dass es ein schönes Wochenende wird."
Dass er es kann, hat Wellinger zumindest im Weltcup schon bewiesen. 2017 in Vikersund stellte er mit 245 Metern den damaligen deutschen Rekord von Severin Freund ein, auf der Heini-Klopfer-Schanze in Oberstdorf hielt er bis 2018 mit 238,0 m den Schanzenrekord. Und auch den Kulm mag er, vor einem Jahr verpasste er dort als Vierter nur knapp das Podest.
Ganz ungefährlich ist das Fliegen indes nicht. Noch immer in schlechter Erinnerungen ist die WM 2016 ebenfalls am Kulm, als der Österreicher Lukas Müller während des Einfliegens der Vorspringer schwer stürzte. Müller erlitt eine inkomplette Querschnittlähmung und sitzt seither im Rollstuhl.
Wellinger kennt die Gefahren, geht aber voller Zuversicht in den Nervenkitzel. "Beim Skifliegen braucht man vom ersten Training an das richtige Gefühl, die Herausforderung startet daher schon am Donnerstag", sagt der Mitfavorit und betont: "Ich freue mich riesig auf die WM." Und auf das Adrenalin im Blut.
Von Steiner bis Lindvik: Die Skiflug-Weltmeister im Überblick
1972 Planica - Walter Steiner (Schweiz)
1973 Oberstdorf - Hans-Georg Aschenbach (DDR)
1975 Kulm - Karel Kodejska (CSSR)
1977 Vikersund - Walter Steiner (Schweiz)
1979 Planica - Armin Kogler (Österreich)
1981 Oberstdorf - Jari Puikkonen (Finnland)
1983 Harrachov - Klaus Ostwald (DDR)
1985 Planica - Matti Nykänen (Finnland)
1986 Kulm - Andreas Felder (Österreich)
1988 Oberstdorf - Ole Gunnar Fidjestöl (Norwegen)
1990 Vikersund - Dieter Thoma (BRD)
1992 Harrachov - Noriaki Kasai (Japan)
1994 Planica - Jaroslav Sakala (Tschechien)
1996 Kulm - Andreas Goldberger (Österreich)
1998 Oberstdorf - Kazuyoshi Funaki (Japan)
2000 Vikersund - Sven Hannawald (Deutschland)
2002 Harrachov - Sven Hannawald (Deutschland)
2004 Planica - Roar Ljökelsöy (Norwegen)
2006 Kulm - Roar Ljökelsoy (Norwegen)
2008 Oberstdorf - Gregor Schlierenzauer (Österreich)
2010 Planica - Simon Ammann (Schweiz)
2012 Vikersund - Robert Kranjec (Slowenien)
2014 Harrachov - Severin Freund (Deutschland)
2016 Kulm - Peter Prevc (Slowenien)
2018 Oberstdorf - Daniel Andre Tande (Norwegen)
2020 Planica - Karl Geiger (Deutschland)
2022 Vikersund - Marius Lindvik (Norwegen)