Vor Frauen-WM 2023: Spielerinnen verdienen weiterhin nur Bruchteil der Männer

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Vor Frauen-WM 2023: Spielerinnen verdienen weiterhin nur Bruchteil der Männer

Sam Kerr ist die bestbezahlte Spielerin im Frauenfußball
Sam Kerr ist die bestbezahlte Spielerin im FrauenfußballProfimedia
Am 20. Juli beginnt die Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland. Erstmals in der Geschichte des Turniers sind 32 Teams vertreten, es wird die größte Ausgabe aller Zeiten sein. Und zweifellos gibt es mehr Namen, die auch einem breiten Publikum bekannt sind. Sam Kerr, Lucy Bronce, Alex Morgan oder Alexandra Popp. Von Gehältern, wie sie im Männerfußball bezahlt werden, können aber auch die besten und prominentesten Damen weiterhin nur träumen.

Die FIFA hat reagiert und nicht nur die Anzahl der teilnehmenden Nationen, sondern auch die Preisgelder erhöht. Insgesamt werden bei der Frauen-WM 2023 Prämien in Höhe von rund 100 Millionen Euro ausbezahlt – knapp 72 Millionen Euro, bzw. 267 Prozent, mehr als die 24 Teilnehmer 2019 erhalten haben.

Lücke wird kleiner – ist aber immer noch gigantisch

Auch etliche Verbände haben die Entschädigungen für die abstellenden Vereine und die zusätzliche Prämie aufgebessert. Teils konnte man sich bereits auf dieselbe Vergütung wie im Herrenbereich einigen. Dennoch klafft in vielen Bereichen im Vergleich zu den Männern immer noch eine gigantische Lücke.

Also haben wir uns exemplarisch die Gehälter jener Frauen genau angesehen, die bei der in Hinblick auf die Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland für England und die USA auflaufen werden. Auch die Durchschnittsgehälter der Spielerinnen in der WSL - dem Pendant zur Premier League - und der nordamerikanischen NWSL haben wir unter die Lupe genommen.

Die Heldinnen, welche bei der Weltmeisterschaft, ins Rampenlicht treten, werden Millionen von Menschen auf dem ganzen Planeten inspirieren. Neben den Partien auf dem grünen Rassen müssen diese Frauen immer noch einen zweiten großen Kampf ausfechten: jenen um gerechte Bezahlung.

Die bestbezahlte Spielerin der Welt

Berichten zufolge ist die Australierin Sam Kerr vom FC Chelsea die bestverdienende Spielerin der Welt. Die Kapitänin der Matildas verdient schätzungsweise rund 466.000 Euro netto jährlich. Deutlich mehr als in einem Spitzenjob im Vereinigten Königreich, rund zehnmal so viel wie das Durchschnittsgehalt der restlichen WSL-Spielerinnen. Der Generaldirektor der BBC verdient rund 611.000 Euro jährlich - der Unterschied zu Sam Kerr ist in dieser Hinsicht relativ gering. 

Verdienste von Fußballspielern der Männer und Frauen auf dem Spielfeld
Verdienste von Fußballspielern der Männer und Frauen auf dem SpielfeldFlashscore

Wenngleich die australische Angreiferin mehr verdient als etliche CEOs weltweit ist ihr Gehalt im Vergleich zu dem, was männliche Fußballer verdienen, ein Bruchteil. Laut der Forbes-Liste der bestbezahlten Fußballspieler der Welt hat Cristiano Ronaldo ein geschätztes Jahreseinkommen von 42 Millionen Euro. Das entspricht einem Wochengehalt von über 800.000 Euro. Und Lionel Messi verdiente bei Paris Saint-Germain laut Forbes fast 60 Millionen Euro pro Jahr.

Laut Angaben der Professional Footballers Association (PFA) liegt das Durchschnittsgehalt eines Premier-League-Spielers bei fast 70.000 Euro wöchentlich. Klar: Die Gehälter von Stars wie Erling Haaland und Harry Kane treiben den Durchschnitt in die Höhe. Trotzdem ergibt das einen beeindruckenden Durchschnittsverdienst von rund 3,6 Millionen Euro im Jahr. Das bedeutet: Ein “gewöhnlicher” Premier-League-Profi kassiert siebenmal so viel wie Sam Kerr, die bestbezahlte Spielerin der Welt.

USA – Auch hier sind die Unterschiede enorm

Drei der vier bestbezahlten Fußballerinnen der Welt spielen für das Nationalteam der USA. Der große Star bei der Weltmeisterschaft 2019 war Megan Rapinoe. Sie wurde im Finale zur Spielerin des Spiels sowie zur Spielerin des Turniers gewählt. Anfang des Monats gab die 38-jährige Offensivspielerin bekannt, sich mit Jahresende vom aktiven Profi-Fußball zurückziehen zu wollen.

Rapinoe spielt in der NWSL für OL Reign. Ihr Gehalt von zirka 434.000 Euro jährlich ist etwas geringer als jenes der Starstürmerin Alex Morgan - sie verdient 436.000 Euro. Laut Angaben von capology.com verdiente der US-Stürmer Christian Pulisic beim FC Chelsea pro Jahr 174.000 Euro - pro Woche, wohlgemerkt. Und dass, während er an der Stamford Bridge um Spielzeit kämpfte und es nur selten in die Startelf schaffte. Soll heißen: Ein etwas prominenterer Ersatzspieler in der Premier League verdient ungefähr das 20-fache wie die beste Spielerin der Welt.

Die NWSL gab bekannt, dass das durchschnittliche Jahresgehalt einer Spielerin bei umgerechnet 49.533 Euro liegt. Jedes Team hat eine Gehaltsobergrenze von etwa 1,26 Millionen Euro. Im Vergleich zu 2022 entspricht das immerhin einer Steigerung von 25 Prozent. Die Jobbörse “indeed” geht davon aus, dass das Durchschnittsgehalt für alle US-amerikanischen Arbeitnehmer bei zirka 51.000 Euro liegt. 

Das Gehalt einer NWSL-Spielerin entspricht ungefähr jenem eines Grafikdesigners, der gerade seine ersten Gehversuche in der Branche unternimmt. Das Durchschnittsgehalt der NWSL wiederum liegt knapp unter dem Durchschnittsgehalt der gesamten Bevölkerung.

England – Vorreiterrolle für Arsenal

Die bestbezahlte Spielerin Englands ist Fran Kirby. Die Chelsea-Stürmerin verdient schätzungsweise 362.000 Euro pro Jahr. Ihr Pendant bei den Blues, Raheem Sterling, ist wiederum der bestbezahlte englische Fußballer. Er wurde aus dem Kader der Three Lions gestrichen - kann sich aber mit einem Gehalt von 378.000 Euro trösten.

Die Damen des FC Chelsea haben in den letzten vier Spielzeiten jeweils den WSL-Titel gewonnen. Eine Spielerin, die in der WSL in Vollzeit beschäftigt ist, verdient im Durchschnitt 54.000 Euro im Jahr, also ungefähr so viel wie ein Software-Entwickler. 

Der FC Arsenal hat die Lohnkosten für sein Frauenteam und die entsprechenden Angestellten auf eigene Faust um 30 Prozent erhöht. Der Verein geht mit den buchhalterischen Zahlen vergleichsweise transparent um - weshalb wir wissen, dass dem WSL-Team ein Jahresbudget von rund 5 Millionen Euro zur Verfügung steht. Das Durchschnittsgehalt einer Kaderspielerin beträgt 114.000 Euro. Laut Glassdoor ist das wesentlich mehr als das Durchschnittsgehalt eines CEOs in Großbritannien (108.000 Euro im Durchschnitt).

Die Football Money League von Deloitte für 2023 - ein jährlicher Bericht über die einkommensstärksten Vereine im Weltfußball - berichtet, dass Arsenal Premier-League-Mannschaft allein für Gehälter umgerechnet rund 232 Millionen Euro ausgibt. Topstürmer Gabriel Jesus verdient Medienberichten zufolge fast 16 Millionen Euro jährlich - also mehr als das Dreifache des gesamten Frauenbudgets.

Warum gleicher Lohn für alle?

Im weltweiten Vergleich, abseits der Top-Ligen, sieht die Lage noch weitaus düsterer aus. Wie die FIFA berichtet, liegt das Jahresgehalt einer Fußballerin auf Profi-Niveau rund 12.800 Euro jährlich. Weitaus weniger als das Durchschnittsgehalt eines gewöhnlichen Verkäufers (rund 13.000). Nicht wenige der über 700 Spielerinnen, die an der Frauen-WM 2023 teilnehmen, können durch Fußballspielen ihren Lebensunterhalt nicht vollständig bestreiten und müssen nebenbei anderswo jobben. Darunter leiden natürlich auch die Trainingsbedingungen- und Möglichkeiten. Selbst in Deutschland müssen immer noch einige Spielerinnen für Ligaspiele extra Urlaub einlösen. 

Da verwundert es kaum noch, dass die WM-Prämien für viele Spielerinnen ein brisantes, heiß diskutiertes Thema sind. Die Startgebühr, die jeder Spielerin garantiert wird, beträgt über 27.000 Euro. Das Honorar erhöht sich mit jeder erreichten Turnierphase, sodass bei einem WM-Titel jede Kaderspielerin über 245.000 Euro erhalten würde.

Obwohl die FIFA die WM-Prämien im Vergleich zu 2019 großzügig aufgestockt hat, reicht das Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro pro Jahr nicht an die über 400 Millionen Euro heran, welche bei der Männer-WM 2022 in Katar ausbezahlt wurden. 

Preisgelder bei Weltmeisterschaften der Männer und Frauen
Preisgelder bei Weltmeisterschaften der Männer und FrauenFlashscore

Die vierfache Summe also für Spieler, die schon bei ihren Vereinen im Durchschnitt das Zehnfache verdienen. Eine Umverteilung zwischen Männern und Frauen, zwischen Spitzenverdienern und Durchschnitt findet in der Branche kaum statt. Die FIFA hat sich daher zum Ziel gesetzt, bis zur Frauen WM im Jahr 2027 Parität herzustellen.

Von ihren nationalen Verbänden wurde bereits England, Irland und den USA derselbe Lohn wie den Herrenteams versprochen. 

In den letzten vier Jahren gab es enorme Fortschritte. Das Lohngefälle ist aber weiterhin gewaltig. Bald sind alle Augen auf Australien und Neuseeland gerichtet. Das größte Turnier im Frauenfußball bietet den Damen erneut Möglichkeit, auf ein schwieriges Thema aufmerksam zu machen.