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Von Katar nach Australien, von einer WM zur nächsten: Hervé Renard im Porträt

François Miguel Boudet / Micha Pesseg
Hervé Renard ist von seiner neuen Aufgabe komplett beseelt
Hervé Renard ist von seiner neuen Aufgabe komplett beseeltAFP
Bei WM 2022 in Katar hatte Hervé Renard Saudi-Arabien als Nationaltrainer betreut, nur neun Monate später betreut der Franzose bei der Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland sein Heimatland. In der französischen Fußballmannschaft sorgte der 54-Jährige schnell für gute Stimmung. Er hatte bisher im Frauenfußball keinerlei Erfahrungen gesammelt. Mit Frankreich möchte Renard um den WM-Titel mitspielen.

Die sozialen Netzwerke machten Hervé Renard zum ersten Star der Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Seine emotionale Halbzeitansprache in der saudischen Umkleidekabine wurde hunderte Male geteilt und wurde durch einen sensationellen 2:1-Sieg gegen den späteren Champion Argentinien gekrönt. Eine großartige Leistung, die seine Africa-Cup-Siege mit Sambia (2012) und der Elfenbeinküste (2015) beinahe in den Schatten gestellt hätte.

Renard fühlt sich berufen

Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung entschied sich der ehemalige Abwehrspieler für einen überraschenden Schritt. Der Weltenbummler kehrte zurück in seine Heimat – und übernahm die französische Frauen-Nationalmannschaft, wofür Renard sogar in Kauf nahm, dass sich sein Jahresgehalt ums zwanzigfache verringerte.

"Ich habe nicht darauf geachtet, was ich verliere, sondern nur auf das, was ich gewinne", sagte der rhetorisch begabte Trainer der einflussreichen Sportzeitung L'Équipe und driftete anschließend fast ins Esoterische ab: "Es war eine Art Berufung. Ich hatte das Gefühl, dass ich kommen musste, ihretwegen, den Spielerinnen wegen. Es war ihr enormes Potenzial, welches mich überzeugt hat."

Als Renard Ende März seinen Vertrag in Saudi-Arabien auflöste, um die von den Spielerinnen wenig geliebte Corinne Diacre zu ersetzen, befand sich Frankreich im absoluten Stimmungstief. Superstar Wendie Renard hatte ihren Rücktritt erklärt, mit Verweis darauf, dass die Zeit bei der Nationalmannschaft ihre psychische Gesundheit gefährde. Ihr gefolgt waren Kadidiatou Diani, Marie-Antoinette Katoto und Perle Morroni

Außerdem belasteten Vorwürfen gegen den mittlerweile zurückgetretenen Verbandspräsidenten Noel Le Graet die Stimmung im französischen Verband nachhaltig. Dass bei der EM das Halbfinale erreicht worden war? Spielte jetzt keine Rolle mehr.

Die wichtigsten Fakten zum französischen Team
Die wichtigsten Fakten zum französischen TeamFlashscore

Diacre war vorgeworfen worden, die Spieler unter extremen mentalen Druck zu setzen. Also begab sich der Verband auf die Suche nach einem freundlichen Gesicht für die Frauen-WM 2023. Man wurde beim immer souverän wirkenden, selten unfreundlichen Hervé Renard.

Frischer Wind

Das strenge Gesicht, die rigorose Menschenführung von Diacre – wurde durch ein gestärktes weißes Hemd und ein sanftmütiges Lächeln ersetzt. Wendie Renard und Kadidiatou Diani erklärten daraufhin ihren Rücktritt vom Rücktritt. 

Renard brachte die Freude zurück zum französischen Nationalteam. Seine Kenntnisse über den Frauenfußball sind beschränkt, in den ersten Trainings hatte er große Probleme, sich alle Namen der Spielerinnen zu merken. Denen machte das nichts aus, wichtig war, dass man den Spaß am Spiel wieder entdeckte. Renards Charisma, Weltoffenheit und sein fachliches Know-how qualifizierten ihn für den wichtigsten Posten im französischen Frauenfußball.

Erst durch die wiedergefundene Freude konnte sich Frankreich voll auf die WM konzentrieren
Erst durch die wiedergefundene Freude konnte sich Frankreich voll auf die WM konzentrierenAFP

Vor dem letzten Testspiel gegen Australien (0:1-Niederlage) hatte der 54-Jährige erklärt: "Das Wichtigste ist, dass wir gemeinsam den richtigen Weg gehen. Jeder Trainer hat eine andere Philosophie. Auf und neben dem Platz. Meine Philosophie ist klar: Ohne einen ausgezeichneten Teamgeist können wir nichts gewinnen."

Naiv geht der Liebling der Medien nicht an seine neue Aufgabe heran. Er kennt die Mechanismen des Fußballs und weiß: "Das alles funktioniert nur, wenn wir Ergebnisse erzielen." Im ersten Gruppenspiel gegen Jamaika wäre alles, außer ein klarer Erfolg, bereits eine herbe Enttäuschung. Auch gegen Panama gilt man als klarer Favorit.

Ob Frankreich bei der Frauen-WM 2023 tatsächlich um den Titel mitspielen kann, ob Renard wahrlich ein goldenes Händchen hat: wird man wohl erst nach dem dritten, unfassbar schwierigen Gruppenspiel gegen Brasilien wissen. Vielleicht auch erst nach einem möglichen Achtelfinale gegen Deutschland. 

Zum Match-Center: Frankreich vs. Jamaika