EXKLUSIV: FIFA-Präsident Infantino für Jonathan Wilson "viel, viel schlimmer als Blatter"
“Im Moment sieht es stark danach aus, dass es Saudi Arabien wird. Ich glaube nicht, dass es noch andere Bewerber geben wird. (...) Australien war der einzige ernst zu nehmende Gegenkandidat”, so Jonathan Wilson. Allerdings habe wohl auch Australien erkannt, dass “es einen Willen innerhalb der FIFA gibt, dass Saudi-Arabien das Turnier ausrichten soll.”
Fehlende Transparenz
Er räumte ein, dass diese Entscheidung nicht völlig abwegig sei. “Ich zögere ein wenig, zu hart zu sein, denn so funktionieren die Dinge nun einmal.” Auch bei der diversen EM-Vergaben durch die UEFA habe man gesehen, dass inoffizielle Absprachen oft der ausschlaggebende Faktor für die Vergabe großer Turniere sein.
Dass die Weltmeisterschaft 2034 in Saudi-Arabien stattfinden soll, stößt bei zahlreichen Menschenrechtsexperten auf große Kritik. Fehlende Religionsfreiheit und Zwangsarbeit wurden bereits vor der WM 2022 im benachbarten Katar vielerorts kritisiert. Ein Argument, dass Wilson nicht gelten lassen will: Dass das Turnier zur Verbesserung der Menschenrechtssituation beitrage.
“Ich habe noch nie ein konkretes Beispiel dafür miterlebt. Die Gastarbeiter in Kater zum Beispiel. Der Missbrauch wurde in den Medien sehr intensiv diskutiert. Aber nichts davon wurde aufgeklärt. Wenn man ein Jahr später nach Katar zurückgekehrt ist, gab es genau dieselbe Anzahl von Gastarbeitern, die unter schrecklichen Bedingungen zu kämpfen hatten.” Auch die Rechte von Homosexuellen und Frauen seien - entgegen anderslautender Behauptungen - “nicht gestärkt” worden.
Saudi-Arabien hat die Fußball-Welt immer fester in Griff. Superstars wie Cristiano Ronaldo wechselten in die Saudi Pro League, weil sie dort horrende Gehälter kassieren. Dass FIFA und UEFA daran interessiert sind, die Entwicklung am saudischen Markt unter Kontrolle zu bekommen, bezweifelt Wilson: “Ich glaube, sie sind froh, wenn sie das Geld nehmen können. So einfach ist das. Aber es ist natürlich sehr schädlich. Glaubt irgendjemand, dass die Vergabe der WM 2034 an Saudi-Arabien integer war? Es gab keinen Vergabeprozess - nichts.”
Schwere Vorwürfe an Gianni Infantino
Gianni Infantino ist seit 2016 FIFA-Präsident und löste damals den scheidenden Sepp Blatter ab. Obwohl Blatters Amtszeit von Kontroversen und Korruptionsvorwürfen geprägt war, sei der Schweizer im Vergleich zu Infantino harmlos gewesen.
Den amtierenden FIFA-Präsidenten bezeichnete Wilson “als viel, viel schlimmer als Blatter.” Beim ehemaligen Boss des Weltverbandes habe man “zumindest irgendwo das Gefühl gehabt”, er wolle “das Beste für den Fußball tun.”
Besonders die von der FIFA geplanten Größendimensionen sind Jonathan Wilson ein Dorn im Auge: “Plötzlich sagt er, dass die Weltmeisterschaft mit 48 Mannschaften ausgetragen werden soll. 16 Dreiergruppen - dann sind es plötzlich 12 Vierergruppen.” Die Entscheidungsprozesse seien nahezu undurchschaubar: “Es gab keine Diskussion, keine Beratung. So hat er es mit so ziemlich allem gemacht.”