Zahlreiche Kreuzbandrisse im Frauenfußball - Falsches Training oder weibliche Anatomie?
Laut dem "Norwegischen Rundfunk" sind Kreuzbandverletzungen im Frauen-Fußball ein gigantisches Problem. Behauptungen, dies liege an der unterschiedlichen Anatomie, sind laut dem Universitäts-Professor Lars Engebretsen wissenschaftlich nicht nachvollziehbar. Eine größere Rolle spielen laut ihm die schlechten Trainingsbedingungen bei vielen Vereinen.
"Die Trainer im Frauen-Fußball sind nicht so gut wie bei den Männern. Die Verletzungsprävention und das Training nach Verletzungen sind bei Frauen nicht auf demselben Niveau. Sie haben nicht den gleichen Zugang zu medizinischen Fachkräften oder Physiotherapeuten, die ihnen beim Krafttraining helfen. Es gibt also sehr große Unterschiede", stellte der Spezialist für Knieverletzungen fest.
Havard Moksnes - Facharzt für Sportphysiotherapie am Sportgesundheitszentrum in Oslo - schloss sich dieser Meinung an: "Bei den Männern gibt es mehr Ressourcen um das Team herum. Man kann mehr an der Verletzungsprävention arbeiten und hat eine professionellere Kontrolle über die Gesamtbelastung der Spieler."
Ein internationales Problem
Die Zahlen sind bedrückend: In den vergangenen zwei Jahren haben sich in der ersten norwegischen Liga 24 Spielerinnen am Kreuzband verletzt. Im internationalen Vergleich ergibt sich ein ähnliches Bild. Mehr als 30 Spielerinnen verpassten die Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland wegen eines Kreuzbandrisses.
Auch Top-Stars wie Alexia Putellas, Keira Walsh, Beth Mead, Leah Williamson und Giulia Gwinn verpassten die Weltmeisterschaft wegen dieser Verletzung. Statistisch gesehen sind Fußballerinnen sechsmal häufiger von Kreuzbandrissen betroffen als ihre männlichen Kollegen - Zufall ist das nicht.
Neben den angeführten Gründen kann die weibliche Anatomie nicht gänzlich ignoriert werden. Professor Kirsten Legerlotz von der Humboldt-Universität Berlin erklärte im vergangenen Juli in einem Interview mit der Sportschau: "Das breitere Becken der Frau erhöht das Risiko für einen Kreuzbandriss."
Demnach tendieren Frauen tendenziell zu einer X-Bein-Stellung - was wiederum die Gefahr erhöht, das Knie nach innen zu verdrehen. Auch eine geringere Muskelmasse und ein anderes Sprung- und Landeverhalten werden als Ursachen genannt. Gezielte Trainings-Schwerpunkte und ein auf den weiblichen Zyklus angepasster Trainingsplan könnten Abhilfe verschaffen.