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FlashFocus: Pragmatismus statt Philosophie - Southampton kämpft um Ligaverbleib

Josh Donaldson
Adam Armstrong, rechts, und Tyler Dibling feiern Southamptons Siegtreffer gegen Everton im November
Adam Armstrong, rechts, und Tyler Dibling feiern Southamptons Siegtreffer gegen Everton im NovemberCharlie Crowhurst / GETTY IMAGES EUROPE / Getty Images via AFP
Southampton hat einen schwierigen Start in die Premier League 2024/25 hinter sich, denn Trainer Russell Martin setzt mehr auf Philosophie als auf Pragmatismus. Nach dem wichtigen 1:0-Sieg gegen Everton keimt neue Hoffnung auf. Können sich die "Saints" retten?

Es hätte auch ganz anders kommen können. Southampton, das in seinen ersten acht Spielen in der Premier League 2024/25 keinen einzigen Sieg errungen hatte und am Ende der Tabelle gestanden hatte, blieb im Spiel gegen Everton dank eines 12-Zentimeter-Balkens im Spiel.

Trotz erstem Sieg: Southampton fehlt die Kreativität

Er machte den Unterschied zwischen Niederlage und Sieg, zwischen einer lauten Kakophonie von Buhrufen und einer Reise zum Arbeitsamt für den Mann auf der Trainerbank. Doch nach Betos Kopfball an die Latte nutzte Southampton die Gunst der Stunde und schnappte sich dank eines Treffers von Adam Armstrong endlich den ersten "Dreier" der Saison.

Southamptons Spielstil in dieser Saison unter Martin, der zum ersten Mal in der höchsten englischen Spielklasse trainiert, ist zuletzt als zu passiv und zu langsam kritisiert worden. In der letzten Saison, in der die Mannschaft den Aufstieg schaffte, war eben jener Stil jedoch ein fester Bestandteil der Spielphilosophie. Anpassungsfähigkeit scheint das Wort der Stunde zu sein. Aber gibt es Anzeichen dafür, dass Southampton dies bewältigen kann? Martins Mantra bleibt Ballbesitz und Geduld.

Das Tor von Armstrong hat dem Klub von der Südküste wieder etwas Hoffnung gegeben, doch das Leben in der Premier League bleibt hart. Am Samstag wartet mit dem Gastspiel bei den Wolves ein weiterer Abstiegskandidat auf die Saints, bevor im St. Mary's Stadium Spiele gegen Liverpool, Tottenham und Chelsea anstehen - Punkte werden also schwer zu holen sein.

Die Rennaissance des Bednarek

Das Dilemma spiegelt sich in der Statistik wider: In der Premier League liegt der Verein in dieser Saison mit 55 % durchschnittlichem Ballbesitz an fünfter Stelle, bei den Rückpässen stehen sie hinter Manchester City sogar an zweiter Stelle und haben zwei Spieler in den Top 10 der erfolgreichsten Pässe. Einer von ihnen ist der polnische Innenverteidiger Jan Bednarek, einer der dienstältesten Spieler Southamptons, der 2019 verpflichtet wurde und unter Martin eine Renaissance erlebt.

Das Passspiel von Jan Bednarek gegen Everton
Das Passspiel von Jan Bednarek gegen EvertonOpta by StatsPerform / James Marsh / Shutterstock Editorial / Profimedia

Mit 822 Pässen in den ersten neun Spielen gelangen ihm die meisten Pässe aller Spieler in der Liga, er gilt als Herzstück der Dreierkette. Zudem leitet er die Offensivaktionen ein, oder hält den Ball in der eigenen Abwehrreihe, bis Lücken im gegnerischen Pressing zu finden sind

Southampton: Mit Ballbesitzfußball in den Keller

Diese Seitwärts- und Rückpässe frustrieren die Southampton-Fans zunehmend, sind aber fester Bestandteil der Strategie Martins, um sich den Weg durch das Mittelfeld der gegnerischen Teams zu bahnen. Eine Strategie, die nicht ganz risikofrei ist. Bereits sechs eigene Fehler haben direkt zu Gegentoren geführt. Zudem zwingt es die Spieler, im Zweifelsfall Fouls zu begehen, was sich ebenfalls in den Stats findet: Southampton hat die zweitmeisten gelben und roten Karten in der Liga gesammelt. Dadurch hat man auch schon Punkte verloren, zum Beispiel im Heimspiel gegen Leicester.

Auf dem Weg zum Erfolg nimmt Martin diese Risiken gerne in Kauf. In der Premier League war vom Erfolg aber bisher nicht viel zu erkennen.

Kritik an Transfers: Martin und die Startelf

Ein weiterer Kritikpunkt an Martin ist, dass sich nicht auf eine erste Elf festlegen kann. Er schwankt dabei zumeist zwischen dem Vertrauen in seine "Meistermannschaft" der Vorjahres und den Neuzugängen, die von vielen Experten als nicht optimal bezeichnet wurden, um es gelinde auszudrücken. So haben beispielsweise Maxwel Cornet und Lesley Ugochukwu zusammen erst sechs Ligaspiele absolviert. Immerhin waren vier der Spieler, die beim Sieg gegen Everton in der Startelf standen, Neuzugänge.

Diese Unentschlossenheit und die negativen Erbenisse im Herbst sollen den serbischen Eigentümer Dragan Solak dazu veranlasst haben, die Frage zu stellen, ob es mit dem aktuellen Trainer überhaupt noch weitergehen kann: "Ich bin froh, dass wir diesen sportlichen Erfolg hatten. Wir werden versuchen, daraus Kapital zu schlagen. Aber wir werden auch weiterhin an unseren langfristigen Projekten arbeiten, um die Saints zu einem echten, stabilen und dauerhaften Premier-League-Verein zu machen", hatte er nach dem Aufstieg noch gesagt.

Immerhin: Aus Quellen, die Flashscore nahe stehen, ist zu erfahren, dass die Eigentümergruppe von Southampton nicht allzu besorgt über einen möglichen Abstieg in die Championship ist, da der Verein finanziell relativ stabil und im zweifelsfall abgesichert ist.

Wechselnde Gezeiten?

Ein Blick auf die Geschichte zeigt jedoch ein düsteres Szenario. Der offensichtliche Vergleich zu Southamptons Misere? Der FC Burnley. Wie die Saints starteten sie in die Premier-League-Saison 2023/24 mit der Hoffnung, einen auf Ballbesitz ausgerichteten Fußball zu spielen - mit ernüchterndem Ausgang. Burnley beendete die Saison mit fünf Siegen auf dem 19. Platz. Manager Vincent Kompany wurde kritisiert, weil er nicht von seiner Philosophie abgewichen war - obwohl ihm das letztendlich geholfen hat, seinen aktuellen Job bei Bayern München zu landen.

Martin zeigt Anzeichen dafür, dass er bereit sein könnte, mehr Anpassungswillen zu zeigen als sein belgischer Trainerkollege. Beim Sieg gegen Everton spielten seine beiden Angreifer, Cameron Archer und Armstrong, kompakter. Dies ermöglichte Southampton, den Ball schneller zu bewegen und gleichzeitig Mateus Fernandes mehrere Anspieloptionen aus dem Mittelfeld heraus zu bieten

Southamptons Passspiel gegen Everton
Southamptons Passspiel gegen EvertonOpta by StatsPerform / Profimedia

Zum Vergleich: Bei der 0:1-Niederlage gegen Nottingham Forest im August waren die beiden Stürmer Armstrong und Ben Brereton Diaz auf den Flügeln und weiter auseinander positioniert. Entsprechend hatten sie Mühe, sich in den Zweikämpfen durchzusetzen.

Southamptons Passspiel gegen Nottingham Forest
Southamptons Passspiel gegen Nottingham ForestOpta by StatsPerform / Profimedia

Die engere offensive Ausrichtung könnte Flügelspielern wie dem jungen Tyler Dibling, der Southamptons berühmte Akademie durchlaufen hat, mehr Freiheiten gewähren. Mit gerade einmal 18 Jahren hat er in dieser Saison mit seiner Dynamik, seiner Unbekümmertheit und seiner Bereitschaft, Eins-gegen-Eins-Situationen zu suchen, durchaus für Furore gesorgt. Gegen Ipswich Town gelang das erste Tor in der Premier League. Könnte er eine offensive Lösung für den Klub sein?

Jedenfalls sind sich Fans und Experten einig: Southampton spielt aktuell unter seinen Möglichkeiten - und es liegt an Martin, das Potenzial aus seiner Truppe heruaszuholen.

Mit Pragmatismus zur Rettung?

Andernfalls droht dem Verein, der in seiner 139-jährigen Geschichte lange Zeit der größte Verein an der Südküste Englands war, der Abstieg. Zeiten, die sich zu ändern scheinen. Erzrivale Portsmouth befindet sich seit einiger Zeit auf dem absteigenden Ast. Immerhin spielt man aktuell wieder in der zweiten Liga. Brighton und Bournemouth haben die Saints dagegen mit fortschrittlichem, unterhaltsamem und schnellem Fußball überholt.

Beide Mannschaften kämpften zunächst lange um ihre Sicherheit im englischen Oberhaus, bevor sie sich in der Premier League langsam und gemäßig etablieren konnten. Southampton täte gut daran, von den Lehren dieser beiden Vereine zu lernen, anstatt in einer Saison, in der es ums pure Überleben geht, stur an der aktuellen Philiosophie festzuhalten.

Josh Donaldson
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