Ex-Bremer Niklas Schmidt im Exklusiv-Interview: "Lernen ist das Wichtigste"
Flashscore: Zwei Punkte aus den ersten drei Spielen: Wie analysieren Sie den Saisonstart von Toulouse?
Niklas Schmidt: Die ersten beiden Spiele waren sehr gut. Gegen Nantes haben wir uns viele Chancen erarbeitet, konnten diese aber nicht nutzen. In Nizza, auf einem sehr schrecklichen Rasen, mussten wir uns den Bedingungen fügen. Wir haben unser Bestes gegeben und ein Unentschieden ist ein gutes Ergebnis gegen eine gute Mannschaft. Gegen Marseille haben wir gut angefangen, aber die rote Karte (von Frank Magri, Anm. d. Red.) so früh im Spiel hat alles verändert. Wir hatten keine Chance. Wir wollen uns stets verbessern und konzentrierten uns auf das, was jetzt auf uns zukommt.
Gegen den FC Nantes standen Sie in der Startelf, kamen gegen Nizza und Marseille aber nur noch von der Bank. Wir beurteilen Sie ihren persönlichen Start in die Saison?
Ich fand, dass ich gegen Nantes eine gute Stunde gespielt habe, aber der Trainer trifft nun mal seine Entscheidungen. Natürlich ist es nicht schön, am ersten Spieltag in der Startelf zu stehen und bei den nächsten Spielen nur auf der Bank zu sitzen. Niemand sitzt gerne auf der Bank, aber ich gebe im Training alles. Ich arbeite hart, um dem Trainer eine weitere Option zu bieten. Ich gebe jeden Tag mein Bestes, sowohl für mich als auch für die Mannschaft.
"Toulouse unter den besten Teams des Landes"
Carles Martinez war Trainer in Barcelonas Jugendakademie La Masia. Sie wissen, wie wichtig das Mittelfeld für einen katalanischen Techniker ist: Stehen Sie dadurch mehr unter Druck?
*lächelt* Er hat sehr hohe Standards. Für mich ist das aber kein Druck. Im Gegenteil, es ist ein Vergnügen, zum Training zu kommen, weil ich jeden Tag viel über meine Rolle als Mittelfeldspieler lerne. Es ist meiner Meinung nach die schwierigste Position in einer Mannschaft. Man muss zu jedem Zeitpunkt bereit, frisch und klar im Kopf sein. Ich bekomme viele Bälle und das ist es, was ich an ihm und seinem Spiel schätze.
Toulouse verfügt über einen multikulturellen Kader. Ist das eine Stärke oder eine Schwierigkeit, um sich auf dem Spielfeld zu verständigen, insbesondere in der Kommunikation?
Wir sind alle sehr eng miteinander verbunden, gerade weil wir jeden Tag viel voneinander lernen. Es gibt so viele Nationalitäten, so viele Sprachen und wenn ein neuer Spieler kommt, freuen wir uns darauf, ihn kennenzulernen und unsere Erfahrungen auszutauschen. Lernen ist das Wichtigste. Ich denke, diese Einstellung zeigt sich auch auf dem Spielfeld.
Welche Ambitionen haben Sie in dieser Saison in Bezug auf die Tabelle? Ist die obere Tabellenhälfte denkbar?
In der Europa League gegen große Vereine gespielt zu haben, war für jeden von uns sehr aufregend und natürlich wollen wir dorthin zurückkehren. Aber die Ligue 1 ist eine schwierige Liga. Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte sind in der Lage, gut zu spielen und beim Anpfiff steht es immer 0:0. Wir wollen jedes Spiel gewinnen, aber man muss auch verstehen, dass es immer einen Gegner gibt und man konzentriert sein muss. Man muss sich immer anpassen um 100% seiner Leistung abzurufen.
Am Sonntag treffen Sie auf Le Havre, das in der Vorsaison ohne großes Budget, aber mit viel Zusammenhalt die Klasse gehalten hat. Kann dieser dem FC Toulouse gefährlich werden?
Ja, wir werden das Spiel kontrollieren müssen und in unserem Positionsspiel gut aufgestellt sein. Wir müssen gut verteidigen und uns im Gegenpressing anstrengen. Und vor allem brauchen wir Tore und müssen uns die Chancen dafür erarbeiten - und zwar in größerer Zahl als in den ersten Spielen. Wir sind zuversichtlich, dass wir das Spiel gewinnen werden.
Sie sind ein Deutscher in der Ligue 1, was, im Vergleich mit den Franzosen in der Bundesliga, eher ungewöhnlich ist. Was macht diese Liga so attraktiv?
Es ist eine der besten Ligen der Welt und jede Woche sind die Stadien voll. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Es gibt viele sehr gute Spieler, die in Frankreich ausgebildet wurden, und wenn sie einen Schritt nach vorne machen wollen, denken sie immer mehr an Deutschland. In der Bundesliga sind es 90 Minuten mit nicht endendem Druck. Du hast sehr wenig Zeit, dich mit dem Ball zu organisieren, vor allem im Mittelfeld. In Frankreich ist es ruhiger und wenn du ins letzte Drittel kommst, musst du die Räume finden, da sie aufgrund des kompakten gegnerischen Blocks und der Stabilität der Verteidigung klein sind.
Sie haben die Atmosphäre in den Bundesligastadien angesprochen: Ist sie besser als in der Ligue 1?
Ja, es ist sehr leidenschaftlich. Fans, die nicht unbedingt viel Geld haben, widmen sich ihrem Verein und die Spieler wollen ihnen in jedem Spiel etwas zurückgeben. Das ist vielleicht einer der größten Unterschiede zwischen unseren beiden Ligen.
Der FC Toulouse konkurriert in der eigenen Stadt mit Stade Toulousain, der besten Rugby-Mannschaft der Welt. Dennoch gehören Ihre Fans zu den treuesten und engagiertesten. Ehrt das einen?
Auf jeden Fall! Man konnte ihre Leidenschaft nach dem Finale des französischen Pokals und bei den Europapokalspielen sehen. Vor allem sieht man Woche für Woche, dass immer mehr Leute ins Stadion kommen und die Stimmung wirklich aufgeheizt ist, vor allem gegen PSG, Marseille und Lyon. Wir finden das toll, weil es auch zeigt, dass Toulouse Fortschritte macht und sich unter den besten Teams des Landes etabliert.
"Micoud, eine echte Legende in Bremen"
Einer der bekanntesten Spieler in ihrem Kader ist Guillaume Restes, der Vize-Olympiasieger geworden ist. Wie nehmen Sie ihn wahr?
Er ist wahrscheinlich einer der besten jungen Torhüter - nicht nur in Frankreich, sondern auch in Europa. Er hat eine großartige Zukunft vor sich, das sage ich ihm jeden Tag *lächelt*. Er hat alles, was man braucht, um ein erstklassiger Torwart zu werden. Man muss ihn nur beim Training sehen, wo er immer lächelt und sehr hart arbeitet.
In dieser Saison hat die Umkleidekabine mit Djibril Sidibe einen Weltmeister von 2018 aufgenommen. Ist es wichtig, einen solchen Anführer zu haben?
Man muss alle Spieler respektieren, aber wenn ein solcher Spieler in die Umkleidekabine kommt, imponiert das, auch wenn er es sich nicht anmerken lässt. Nach und nach hat er angefangen, mehr mit uns zu reden. Er hilft uns auf und neben dem Platz. Wir sind eine junge Mannschaft und Vorbilder wie Djibril und Joshua King zu haben, ist nicht nur gut für den Verein, sondern auch für mich und meine Mitspieler.
Ein deutscher Mittelfeldspieler, der bei Werder Bremen groß geworden ist: Sind Sie eher Johan Micoud oder Toni Kroos?
*lacht* Wenn Sie mit den Fans in der Stadt sprechen, die die Titel miterlebt haben, werden sie Micoud sagen. Meine Generation wird Kroos sagen, weil er zu den besten Mittelfeldspielern der Welt gehört. Micoud ist in Bremen eine echte Legende, ein hervorragender Spieler und jeder kennt ihn.
Wenn man als Spieler und noch mehr als Mittelfeldspieler aufwächst, ist es ein Vorteil, einen Spieler wie Micoud als Referenz für die Erfolge seines Ausbildungsvereins zu haben?
Natürlich, obwohl jeder Spieler in seiner Art zu spielen anders ist. Wenn man sieht, was beide über 15 Jahre lang jede Woche auf einem so hohen Niveau leisten konnten, ist das beispielhaft. Vor allem die Fähigkeit, immer an das nächste Spiel zu denken und sich nicht auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Für jeden Spieler ist das eine Quelle der Inspiration.
Letzte Frage: Was kann man Ihnen für diese Saison wünschen?
Zunächst einmal spreche ich über das Team. Niemand gewinnt ein Spiel alleine - außer vielleicht Messi *lacht*. Als Mannschaft wollen wir jedes Spiel gewinnen, Fortschritte machen, die Tabellenspitze anstreben und unser Bestes geben. Was mich betrifft, so möchte ich jedes Spiel, jede Woche und auf die beste Art und Weise spielen, um der Mannschaft zu helfen und mich täglich zu verbessern.