"Wir wollen uns Schritt für Schritt vorankämpfen", sagte Thomas Müller, er sprach beinahe wie ein Karussell-Ansager auf der Kirmes: "Jetzt geht's rund, jetzt geht's das erste Mal um alles. Let's go, auf geht's!" Und zwar am Samstag um 21.00 Uhr (ZDF und MagentaTV), wenn wieder mehr als 25 Millionen Menschen zusehen werden.

Denn K.o.-Runde, das bedeutet selbstverständlich auch: Es kann ganz schnell vorbei sein - Stecker raus, Euphorie auf null. Der Nagelsmann-Schwung wäre verpufft, die EM wie all die anderen Turniere zuletzt ein Misserfolg. Diese Gedanken zu vertreiben, wird neben der akribischen Gegnervorbereitung eine der Hauptaufgaben.

"Wenn wir von Spiel zu Spiel fokussiert sind, ist alles möglich", betonte Jamal Musiala, "wir haben den Glauben und das Selbstvertrauen, die EM gewinnen zu können." Zusatz-Motivation brachte am Donnerstag ein Privatkonzert des Rappers Kontra K im Team-Quartier in Herzogenaurach: "Erfolg ist kein Glück", heißt einer seiner populären Titel.

Rudi Völler mahnt ohnehin, Träume nicht zu sehr blühen zu lassen. "Brandgefährlich" seien die Dänen mit ihren vielen Premier-League-Spielern, warnte der DFB-Sportdirektor. "Jetzt ist ein neuer Wettbewerb, jetzt ist K.o.-System. Jetzt zählt es", sagte Völler: "Und wir sind gewappnet."

Match-Center: Deutschland vs. Dänemark

Völlers Phobie vor "Danish Dynamite"

1992, als die Dänen vom Strand nach Schweden kamen und im EM-Finale die deutschen Weltmeister besiegten, sah Völler in Göteborg hilflos zu. Er hatte sich im ersten Spiel den Arm gebrochen und war als unglücklicher Glücksbringer zurückgekehrt.

Das Turnier hat in ihm das Gefühl hinterlassen, dass "Danish Dynamite" jederzeit zünden kann. Dennoch: Deutschland war nun, 32 Jahre später, neben dem möglichen Viertelfinalgegner Spanien die beste Mannschaft der Vorrunde: "Den Optimismus, das Selbstvertrauen haben wir uns redlich verdient."

"Wenn wir gegen große Nationen spielen, bringen wir immer unsere Bestleistung", frohlockte Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand: "Wir haben immer ein gutes Gefühl, wenn wir so ein bisschen die Außenseiterrolle einnehmen." Deutschland sei am Samstag zwar "Favorit", ergänzte Wolfsburgs Wind: "Aber wir glauben, dass wir sie ärgern können. Wir wollen etwas Großes erreichen."

Allerdings hat Julian Nagelsmann Sorgen. Jonathan Tah hat sich gegen die Schweiz (1:1) eine bittere Gelbsperre eingehandelt, Antonio Rüdiger, sein Partner in der Innenverteidigung, kämpft mit einer Oberschenkelzerrung. Sein Einsatz ist ungewiss, auch wenn er es am Freitag beim Abschlusstraining gut gelaunt versuchte. Zwar stehen Nico Schlotterbeck und Waldemar Anton als guter Ersatz bereit - doch das zentrale Bollwerk austauschen zu müssen, ist alles andere als ideal.

Zudem muss der Bundestrainer auch vorne eine wegweisende Entscheidung treffen. Ist es an der Zeit für den Wechsel von Kai Havertz auf Niclas Füllkrug? Wucht statt Finesse? Der "echte" Neuner hat den Flow, er surft die EM-Welle. Der BVB-Profi traf schon zweimal als Joker. "So ein bisschen sommermärchenmäßig" fühle es sich an, sagte er. Gekickt wird zudem in Dortmund: "Das wird ein enormes Heimspiel."

Rückt Füllkrug in die Startelf?

Es gibt also gute Argumente für ein Ja, andererseits würde Nagelsmann damit erstmals seine vor der EM festgelegte Rollenverteilung aufweichen. Die sah klar vor: Erst zaubert Havertz, dann kommt der "Brecher". Das vermeintlich magische Dreieck Wirtz-Musiala-Havertz hat allerdings bisher nur gegen Schottland (5:1) groß aufgespielt. Also: Warum eine aufkommende Dynamik kalt ignorieren?

Füllkrug verhält sich sehr loyal. "Ich würde es sofort unterschreiben, dass wir Europameister werden, wenn ich weiter von der Bank komme", versicherte er, aber die bisherige Variante sei auch nach Aussage des Bundestrainers "nicht in Stein gemeißelt". Wechsel? Möglich. David Raum hingegen, von links Flankengeber zum Kopfball-Ausgleich gegen die Schweiz, wäre wohl als möglicher dritter Tausch in der Viererkette zu viel.

Dänemark, mit drei Unentschieden und nur zwei Toren weitergekommen, geht das Spiel ganz locker an. Wie damals? Nein, dafür fehlt der Touch Genialität. "Alles ist machbar", sagte aber Innenverteidiger Jannik Vestergaard, für den es ein ganz besonderes Duell ist: Seine Mutter ist Deutsche. Die DFB-Elf sei durchaus "verwundbar, wenn man sie richtig bespielt".

Trainer Kasper Hjulmand sieht Deutschland als "einen der größten Favoriten. Aber ich glaube, wir sind auch stark." Stark genug? Dann wäre der vermeintliche Zündfunke des späten Tores gegen die Schweiz doch nur ein letztes Aufglimmen gewesen.

Team-News: Ohne Anführer Eriksen, DFB mit Rüdiger

Abwehrchef Antonio Rüdiger steht der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im EM-Achtelfinale gegen Dänemark zur Verfügung. "Wenn nichts mehr passiert, dann kann er morgen spielen", sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann auf der Pressekonferenz in Dortmund am Freitagabend. Rüdiger hatte beim Gruppenfinale gegen die Schweiz (1:1) eine Oberschenkelzerrung erlitten, er war am Vormittag aber wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen. "Das Training war gut", sagte Nagelsmann.

Für die DFB-Auswahl wäre ein Mitwirken des Champions-League-Siegers von Real Madrid am Samstag (21.00 Uhr/ZDF und MagentaTV) in Dortmund wichtig. Nagelsmann muss bereits auf Rüdigers gelbgesperrten Nebenmann Jonathan Tah verzichten. Für Tah wird Nico Schlotterbeck in die Mannschaft rücken, Waldemar Anton steht als Ersatz für Rüdiger bereit.

Der dreimalige Europameister fliegt am Nachmittag von Nürnberg nach Dortmund. Am Abend werden sich noch Nagelsmann und Robert Andrich auf der abschließenden Pressekonferenz zum Spiel äußern.

Dänemarks Fußballer bangen vor dem EM-Achtelfinale gegen Gastgeber Deutschland um den Einsatz von Topspieler Christian Eriksen. "Christian hatte ein paar Probleme mit seinem Magen, Thomas Delaney hatte dasselbe. Wir hoffen, dass er bald bei uns und bereit für das Spiel sein kann", sagte Nationaltrainer Kaspar Hjulmand am Freitag auf einer Pressekonferenz in Dortmund. Er erwarte allerdings, dass Eriksen am Samstag spielen könne.

Der Spielmacher trat die Reise vom Teamcamp im baden-württembergischen Freudenstadt nicht gemeinsam mit der Mannschaft im Charterflieger an, sondern fuhr mit dem Auto. Am Abend sollte er zur Mannschaft stoßen. "Wir wollten nicht, dass er mit den anderen Spielern reist", erklärte Hjulmand. Im Abschlusstraining hatte der 32-jährige Eriksen am Freitagvormittag gefehlt.

Voraussichtliche Aufstellungen:

Deutschland: Neuer - Kimmich, Anton, N. Schlotterbeck, Mittelstädt - Andrich, Kroos - Musiala, Gündogan, Wirtz - Havertz (Füllkrug?).

Dänemark: Schmeichel - Andersen, Vestergaard, Kristensen - Bah, Delaney, Höjbjerg, Maehle - Wind, Eriksen - Höjlund.