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„Vorgezogenes Finale“: Knackt das DFB-Team auch furiose Spanier?

Tobias Forstner / Opta Data Insights
Toni Kroos will den Sieg gegen Spanien.
Toni Kroos will den Sieg gegen Spanien.AFP
Die bisherigen Turnierleistungen sorgen dafür, dass viele das Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien als das vorgezogene Finale dieser Europameisterschaft bewerten. Verständlich, denn während die Iberer als einziges Team die Gruppe ohne Punktverlust und gar ohne Gegentor meisterten, schnitt Gastgeber Deutschland mit der zweitbesten Punktausbeute (7) aller Mannschaften ab. Auch die Hürde Achtelfinale nahmen beide Nationalteams relativ souverän.

Jüngste Vergangenheit spricht für Spanien

Zum vierten Mal duellieren sich Spanien und Deutschland bei einer Europameisterschaft, wobei La Roja bisher zweimal (1984 und 2008) und Deutschland einmal (1988) als Sieger hervorging. Das letzte Aufeinandertreffen zwischen beiden Nationalteams in diesem Wettbewerb fand im Finale 2008 statt, welches Spanien dank eines Treffers von Fernando Torres mit 1-0 gewann und damit den ersten großen Titel (WMs und EMs) seit 44 Jahren und dem Gewinn der Europameisterschaft 1964 einfuhr.

Match-Center: Spanien vs. Deutschland

Beide Nationalteams sehen sich erstmals seit einem 1-1-Unentschieden in der Gruppenphase der Weltmeisterschaft 2022 wieder. Spanien blieb in seinen letzten vier Partien bei Welt- und Europameisterschaften gegen Deutschland ungeschlagen (2 Siege, 2 Unentschieden), wobei in diesen Spielen insgesamt nur sechs Tore fielen (4 für Spanien, 2 für Deutschland). Allerdings: Nach der ersten Niederlage gegen Spanien auf deutschem Boden (1-2 in einem Freundschaftsspiel 1935) blieb das DFB-Team in den letzten acht Spielen gegen La Roja im eigenen Land ungeschlagen (5 Siege, 3 Unentschieden).

Der Opta-Supercomputer sieht die Mannschaft von Trainer Luis de la Fuente im direkten Duell mit den Nagelsmännern knapp vorne, kein anderes Viertelfinale wird als so eng prognostiziert (51%-49%). Die Halbfinal-Wahrscheinlichkeiten beider Teams versprechen ein Duell auf Augenhöhe und dementsprechend eine vermutlich höchst spannende Begegnung am Freitagabend in Stuttgart.

Für Deutschland ist es bereits das 19. Viertelfinale bei Welt- (14) und Europameisterschaften (5) – Höchstwert unter allen europäischen Nationen. Bei 15 der letzten 18 dieser Turniere (83%) kam Deutschland im Viertelfinale weiter, darunter bei all seinen vier bisherigen EM-Viertelfinals (1996, 2008, 2012, 2016).

Die besten Offensiven unter sich

Die Sieg-Wahrscheinlichkeiten
Die Sieg-WahrscheinlichkeitenOpta Data Insights

Deutschland hat in seinen vier Spielen bei dieser Euro zehn Tore erzielt, was bereits ihre geteilt meisten bei einer einzelnen Europameisterschaft sind. Außerdem ist dies der Höchstwert in diesem Turnier, die zweitbeste Offensive stellen die Spanier mit neun Treffern. Bei den Expected Goals liegt La Roja unter allen Teilnehmern gar vorne (8.9), das DFB-Team teilt sich den zweiten Platz mit Portugal (je 7.7). Keine andere Nationalmannschaft überbot ihren xG-Wert bei dieser EM allerdings so deutlich wie die deutsche (um 2.3 Tore – Spanien um 0.1). Zudem platzierten beide Teams die mit deutlichem Abstand meisten Schüsse aufs Tor: Spanien 30, Deutschland 29 – jede andere Mannschaft höchstens 22.

Auch bei den Spielern mit den meisten Beteiligungen an Schuss-Sequenzen aus dem offenen Spiel stechen sowohl deutsche als auch spanische Akteure heraus – diese belegen gar sämtliche Positionen in der diesbezüglichen Top fünf:

Die Schuss-Sequenzen.
Die Schuss-Sequenzen.Opta Data Insights

Toni Kroos, mit 35 Beteiligungen an solchen Sequenzen Führender in dieser Statistik, stellte auch noch weitere Bestwerte auf. 95% seiner Pässe bei dieser EM kamen beim Mitspieler an (411/431), das ist die höchste Passquote eines Spielers, der mindestens 300 Pässe bei einer einzelnen Europameisterschaft gespielt hat (seit Datenerfassung 1980). Außerdem ist er bei der Euro 2024 der Spieler mit den meisten linienbrechenden Pässen (125) – er weist in dieser Statistik einen mehr als doppelt so hohen Wert wie der Zweitplatzierte in dieser Kategorie, Kyle Walker (60), auf. Der sechsfache Champions-League-Sieger befindet sich in absoluter Topform, dennoch könnte dieses Spiel das letzte seiner Laufbahn werden, denn das 34-jährige Mittelfeldass beendet nach diesem Turnier seine Profikarriere.

Spaniens Mittelfeld muss sich allerdings keineswegs verstecken. Vor allem PSG-Star Fabián Ruiz überzeugt derzeit auf ganzer Linie. Obwohl der zentrale Mittelfeldspieler im dritten Gruppenspiel gegen Albanien geschont wurde, ist dieser mit vier direkten Torbeteiligen (2 Tore, 2 Assists) geteilter Topscorer bei dieser Euro (mit Cody Gakpo und Georges Mikautadze). In zwei seiner drei bisherigen Spiele bei der Euro 2024 hat er sowohl ein Tor erzielt als auch eines aufgelegt – in drei verschiedenen Spielen hat das bei einer einzelnen EM-Ausgabe noch niemand geschafft.

Jamal oder Yamal? 

Deutschland gegen Spanien ist auch das Duell zwischen den beiden Toptalenten Jamal Musiala und Lamine Yamal, das zum Zünglein an der Waage werden könnte. Während Bayern-Youngster Musiala „bereits“ 21 Jahre alt ist, wird Barça-Küken Yamal erst einen Tag vor dem EM-Finale 17.

Beide machten bei dieser Europameisterschaft unter anderem durch ihren Spielwitz und ihre Dribblings auf sich aufmerksam – und natürlich durch ihre direkten Torbeteiligungen. Während DFB-Schützling Musiala mit drei Treffern geteilt bester Torschütze dieser Euro ist, toppt Yamals zwei Assists nur der Niederlänger Xavi Simons (3). Yamals Expected-Assists-Wert von 1.2 überbietet ebenfalls nur ein Spieler, mit Gakpo (1.7) erneut ein Oranje-Akteur. Außerdem performte Musiala seinen xG-Wert um 2.1 Tore über (0.9 xG), das überbietet erneut nur Gakpo (2.2).

Jamal Musialas Stats.
Jamal Musialas Stats.Opta Data Insights

Yamals vier kreierte Großchancen sind gar geteilter Höchstwert bei dieser EM (mit Gakpo und Roland Sallai), während Musiala noch keine Großchance kreierte und sich auch bei den insgesamten Torschussvorlagen (4) deutlich hinter Yamal (11) einreiht. Bei der Verwertung solcher Chancen liegt Musiala hingegen deutlich vorne: Mit einer Großchancenverwertung von 100% (2/2) lässt er Yamal (0%, 0/3) diesbezüglich weitestmöglich hinter sich.

Duell könnte auf den Außenbahnen entschieden wären

Um die bereits erwähnten herausragenden Offensiven im Schacht zu halten, bedarf es dementsprechend überdurchschnittliche Defensivleistungen. Auch diesbezüglich überzeugten beide Teams bei dieser Euro bisher. Während Spanien beim 4-1-Achtelfinalsieg gegen Georgien sein erstes Gegentor bei diesem Turnier hinnehmen musste, das aufgrund eines Eigentores von Innenverteidiger Robin Le Normand auch noch ziemlich unglücklich war, kassierte das DFB-Team bisher auch nur zwei Gegentreffer. Spanien stellt zusammen mit Frankreich gar die beste Defensive dieses Turniers.

Deutschland kreierte seine meisten Chancen bisher über die rechte Angriffsseite (21 bzw. 40%), war über die linke Abwehrseite hingegen am anfälligsten (6 kreierte Chancen des Gegners bzw. 43%). Spanien kreierte seine meisten Chancen bisher hingegen über die linke Angriffsseite (27 bzw. 40%), war hingegen im mittleren Defensivdrittel am anfälligsten (9 kreierte Chancen des Gegners bzw. 41%).

Die Angriffsdrittel.
Die Angriffsdrittel.Opta Data Insights

Die stärkste Angriffsseite der Deutschen, die rechte, wurde nominell zwar größtenteils von Musiala bekleidet, doch dieser wich immer wieder auf die linke Seite aus. Der am häufigsten aufgebotene nominelle offensive Linksaußen, Florian Wirtz, zog hingegen auch oft auf die rechte Seite und war dort relativ betrachtet gar aktiver als Musiala.

Wer auch immer den offensiven linken Part des DFB-Teams einnimmt, wird es höchstwahrscheinlich mit dem bärenstarken Marc Cucurella zu tun bekommen. Dieser entschied bei dieser EM bisher 73% seiner Zweikämpfe für sich, das ist Höchstwert aller Spieler (mit mind. 30 Duellen). Auf Spaniens stärkster Angriffsseite, der linken, wirbelt meist Youngster Nico Williams, der bei dieser EM bisher ebenfalls überzeugte und beim 4-1 gegen Georgien zum einzigen Spieler wurde, der seit Datenerfassung 1980 in einer EM-Partie als Startelfspieler einen Treffer erzielte, ein Tor vorbereitete als auch 100% seiner Pässe an den eigenen Mann brachte (46/46). Williams trifft im Spitzenduell mit Deutschland höchstwahrscheinlich auf Joshua Kimmich, der defensiv betrachtet bei diesem Turnier noch nicht vollends überzeugte und lediglich 32% seiner Zweikämpfe gewann.

Doch auch die anderen Außenbahnduelle dürfen mit Spannung erwartet werden. Auf der rechten spanischen Angriffsseite dürfte erneut Yamal starten, dieser wird es vermutlich mit David Raum oder Maximilian Mittelstädt zu tun bekommen. Auf der linken deutschen Angriffsseite ist nominell wie bereits thematisiert Wirtz zu erwarten, der Leroy Sané auf die Bank verdrängen könnte. Doch auch Musiala nominell über links und Sané über rechts, wie beim 2-0-Achtelfinalerfolg gegen Dänemark, ist nicht auszuschließen, wenn auch die Variante mit Wirtz in der Anfangself wahrscheinlicher ist. Bei Spanien ist rechts hinten Routinier Daniel Carvajal gesetzt, der jüngst sowohl auf Klub- als auch auf Nationalmannschaftsebene als Torschütze in wichtigen Spielen auf sich aufmerksam machte (1-0-Siegtor für Real Madrid im CL-Finale gegen Dortmund sowie der Treffer zum 3-0-Endstand gegen Kroatien).

Wer am Freitag in Stuttgart auf den Flügeln die Oberhand behält, kann sich also durchaus gute Chancen ausmalen, auch das Viertelfinal-Duell für sich zu entscheiden.