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Sommermärchen? Was von dieser Europameisterschaft bleiben wird

SID/Jonas Wagner
Im Berliner Olympiastadion findet das große EM-Finale statt.
Im Berliner Olympiastadion findet das große EM-Finale statt.Profimedia
Die Niederländer hüpften ausgelassen von links nach rechts. Albaner zerbrachen mit einem Augenzwinkern Spaghetti vor den Augen einiger Italiener, ehe sie gemeinsam feierten. Und "der Typ mit dem Saxofon" brachte ganze Menschenmassen in den prall gefüllten Fanzonen dieses Landes zum Tanzen. Es sind nur wenige Ausschnitte eines stimmungsvollen Turniers, das nun endet - und zwangsläufig die eine große Frage aufwirft: Was bleibt von diesem von vielen Seiten herbeigeredeten Sommermärchen 2.0?

Ob deutsche Spitzenpolitiker oder die Organisatoren um EM-Direktor Philipp Lahm - viele von ihnen hatten die Kraft des Fußballs vor dem Turnierstart beschworen. Von einer EM, die Menschen zusammenbringen, Europa in diesen schwierigen Zeiten stärken und sogar ein neues "Wir-Gefühl" schaffen könne, war die Rede. Lahm äußerte "die feste Überzeugung", dass das Turnier eine solche Kraft habe.

Es bleiben Bilder von freudetrunkenen Schotten, die einen älteren Mann mit Schirm vor dem Regen schützen. Aber auch von vielen deutschen Fans, die sich endlich wieder mit ihrem Nationalteam identifizierten. Ja, Menschen kamen in Deutschland zusammen und feierten überwiegend friedlich ein großes Fest. An vielen Orten gemeinsam, ganz unabhängig von ihrer (europäischen) Herkunft.

Aber schaffte der Fußball in vier Wochen wirklich das, was der Politik, aber auch der Gesellschaft in vielen Teilen zuletzt misslang? Wohl kaum. Parteien am rechten Rand sind und bleiben wohl auf dem Vormarsch, das zeigte nicht zuletzt die Europawahl.

Die EM bot vielen, vor allem auch jungen Menschen, eine gern genommene Ablenkung, eine ausgelassene Party fernab aller Alltagssorgen und Probleme. Und dennoch wurde sie mit Blick auf mehrere nationalistische Vorfälle und die Wolfsgruß-Debatte von der Realität außerhalb der Sportblase eingeholt.

Demiral sorgte mit dem Wolfsgruß als Torjubel für einen großen Eklat.
Demiral sorgte mit dem Wolfsgruß als Torjubel für einen großen Eklat.Profimedia

Zurück zu den Sorgen

Dazu kommt: Die Kriege in der Ukraine und in Nahost werden die Menschen schnell wieder erreichen, der polarisierte Wahlkampf in den USA die Nachrichtensendungen bestimmen und die Landtagswahlen im Osten für Diskussionen sorgen. Dass die EM den erhofften gesellschaftlichen Umschwung eingeleitet hat, bleibt ein Wunschtraum all jener, die den Sport zuvor mit unerfüllbaren Erwartungen überladen hatten.

Und sportlich? Bleibt die EM auch ein Turnier, dem die großen Stars kaum ihren Stempel aufdrücken konnten, das geprägt war von abwartenden Teams statt großer Fußballkunst, und in dem die DFB-Auswahl dank der Euphorie vor sportlicher Kritik weitgehend geschützt war.

Eines, das Deutschland trotz der Bahnprobleme überwiegend störungsfrei über die Bühne brachte. Eines, das angesichts anderer umstrittener Austragungsorte von Sportereignissen erfrischend wirkte.

Doch nicht nur das Wetter lässt sich kaum mit 2006 vergleichen. Andere Zeit, andere gesellschaftliche Stimmung eben. Ein neues Sommermärchen also? Sicher nicht.

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