Hoffnungsträger mit Defi: Eriksens Rückkehr auf die EM-Bühne
Sturmjuwel Rasmus Höjlund hing dem elf Jahre älteren Christian Eriksen beim offiziellen Mannschaftsfoto rotzfrech ein Norwegen-Trikot über den Kopf. Der Star der dänischen Fußballer wirkte einen Moment irritiert, dann donnerte er das weinrote Jersey des Erzrivalen mit einem wuchtigen Wurf aus dem Bild. "In die Mülltonne", sagte Eriksen mit schelmischem Grinsen. Der 32-Jährige hat sein Lachen längst wiedergefunden, die Vorfreude auf seine dritte Euro ist riesig.
Denn was vor drei Jahren schier unvorstellbar schien, wird nun Realität: Christian Eriksen führt sein Team erneut in ein EM-Auftaktspiel. Beim letzten Mal, an jenem tragischen 12. Juni 2021 gegen Finnland, war sein Herz stehengeblieben - und damit ein Stück weit das einer ganzen Nation. Der Hoffnungsträger rang mit dem Tod, ganz Fußball-Europa bangte - und letztlich gewann er seinen Kampf.
"Weltklassespieler"
Seine Teamkollegen schöpften damals aus dem Drama besondere Energie, spielten für ihren Christian und stürmten in teils magischen Nächten sensationell ins Halbfinale. Das will die seitdem kaum veränderte Mannschaft nun mit ihrem Anführer wiederholen. Inzwischen ist Eriksen ein Defibrillator eingesetzt worden, längst fungiert er wieder als Herzstück und Taktgeber im dänischen Spiel.
"Christian hat eine hohe Spielintelligenz und die Gabe, sich klug zu positionieren", schwärmte Trainer Kasper Hjulmand: "Er ist unser Rhythmus, er ist unser Mann auf dem Feld, der das Spiel diktieren kann. Wenn er gut spielt, dann spielen wir auch gut." Eriksen sei ein "Weltklassespieler" und werde bei der EM "sehr wichtig für die Mannschaft sein", ergänzte Höjlund.
Gleich in der Auftaktpartie gegen wohl tiefstehende Slowenen werden am Sonntag (18.00 Uhr/ZDF und MagentaTV) die Ideen des Spielmachers gefragt sein. Doch es bleiben Fragezeichen, bei seinem Verein Manchester United stand Eriksen zuletzt kaum in der Startelf. Es sei "natürlich" besser, mit viel Spielpraxis anzureisen, gab er zu. Aber dank seiner Erfahrung wisse er genau, "was ich hier machen muss".
Feuer von Gravesen
In der Heimat gibt es allerdings Zweifler. "Er muss beweisen, dass er nicht nur wie beim Test im März gegen die Färöer glänzen kann", sagte 1992er Europameister Flemming Povlsen in der Sportbild: "Christian muss sich steigern und zeigen, dass er Dänemark noch führen kann." Den Eriksen, "den wir alle kennen, den gibt es nicht mehr", motzte Ex-Nationalspieler Thomas Gravesen.
Diese Störgeräusche blendete Hjulmand bei den finalen Vorbereitungen im badischen Freudenstadt allerdings gekonnt aus. Eriksen sei weiter "ein wirklich guter Spieler, der der Mannschaft guttut und jedes Mal hilft", betonte der Trainer.