Georgischer Maradona und slowenischer Edeltechniker: Die größten Underdogs bei der EM
Albanien
Als Albanien am 27. März 2023 zum Auftakt in die EM-Qualifikation in Polen verlor, rechnete niemand mit der märchenhaften Entwicklung, die die Balkankicker in den kommenden zwölf Monaten nehmen würden. Ab diesem Zeitpunkt setzte es unter dem brasilianischen Trainer Sylvinho keine Niederlage mehr, viel mehr wurden klare Favoriten wie Polen und Tschechien mit begeisterndem Fußball im heimischen Stadion bezwungen.
Der ehemalige Weltklasse-Linksverteidiger lässt mutigen Fußball spielen und schaffte es, das hitzige Publikum komplett hinter die eigene Mannschaft zu bringen. Spielerisch ist das Team vor allem von Spielern aus der Serie A abhängig: Nedim Bajrami ist zwar gerade mit Sassuolo Calcio abgestiegen, ist dort aber einer der Schlüsselspieler. Kapitän Berat Djimsiti gewann als Stamm-Innenverteidiger mit Atalanta Bergamo gegen Bayer Leverkusen die Europa League.
In der Offensive ruhen die Hoffnungen auf Rückkehrer Armando Broja. Der Stürmer vom FC Chelsea war in den vergangenen Monaten lange verletzt und in der Rückrunde nach Fulham ausgeliehen, für sein Land ist der groß gewachsene Angreifer klar gesetzt. In einer Gruppe mit Europameister Italien sowie den klar favorisierten Kroaten und Spaniern hat Albanien nichts zu verlieren, schon ein Sieg auf EM-Ebene würde das Land zum Kochen bringen.
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Slowenien
In Slowenien spricht fußballerisch derzeit mal wieder alles über Josip Ilicic. Der Routinier ist eine der schillerndsten Figuren des slowenischen Sports und scheint auch mit 36 Jahren noch seine Rolle spielen zu wollen. Der ehemalige Star von Atalanta Bergamo musste sich seit Beginn der Corona-Pandemie mit großen psychischen Problemen herumschlagen, beendete zwischendurch gar kurzzeitig seine aktive Karriere.
Bei NK Maribor in der Heimat fand der Edeltechniker schließlich wieder zur Freude am Fußball zurück, nun soll er die Slowenen in Deutschland anführen. In einer Gruppe mit Dänemark, Serbien und England dürfte es für die Osteuropäer aber vor allem auf eine starke Defensive ankommen, angeführt von Weltklassetorwart Jan Oblak, der vor seinem ersten großen Turnier mit dem Nationalteam steht.
Wie es gehen kann, zeigte man im März dieses Jahres, als man in einem Testspiel die Portugiesen um Stars wie Joao Felix und Cristiano Ronaldo mit 2:0 nach Hause schickte. Einen wichtigen Anteil an diesem Sieg hatte auch Benjamin Sesko von RB Leipzig, dessen Tore für die Slowenen die Minimalchance auf ein Weiterkommen in der Gruppe aufrechterhalten sollen.
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Rumänien
Einen ganz anderen Ansatz der Motivation wählte Rumäniens Trainer Edward Iordanescu. Nach der erfolgreichen Qualifikation gab er an, ohne Ziele nach Deutschland zu fahren. "Wir haben nicht das Ziel, die Gruppe zu gewinnen", so der 45-Jährige. In einer Staffel mit Belgien, der Ukraine und der Slowakei muss die Gruppe ja auch gar nicht zwingend auf Platz eins abgeschlossen werden, um eine Chance auf das Weiterkommen zu haben.
Viel wichtiger sei ihm aber, "unser bestes Spiel zu zeigen und gleichzeitig die Schwächen des Gegners auszunutzen". Wie sich ein Weiterkommen anfühlt, kann sich Iordanescu von seinem Vater erzählen lassen, der die Rumänen 1994 ins Viertelfinale der Weltmeisterschaft geführt hat und erst im Elfmeterschießen an Schweden scheiterte.
Damit sich die Geschichte in diesem Jahr auch nur annähernd wiederholen kann, braucht es defensiv eine Sahneleistung von Tottenham-Innenverteidiger Radu Dragusin. Vorne soll Sturmtank George Puscas seinen elf Länderspieltoren weitere folgen lassen, Razvan Marin und Dennis Man sollen die Vorlagen geben. Ohne die großen internationalen Stars dürften die "Tricolorii" eine der Wundertüten der Europameisterschaft sein.
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Georgien
Den Star schlechthin gibt es unterdessen bei den Georgiern: Alles steht und fällt bei den Kaukasiern mit der Leistung von "Kvaradona", der mit bürgerlichem Namen Kvicha Khvaratskhelia heißt. Der Flügelspieler der SSC Neapel war in der vorvergangenen Saison einer der absoluten Unterschiedsspieler beim Gewinn der Meisterschaft der Süditaliener, auch in der Champions League hinterließ der 23-Jährige aus Tiflis seine Spuren.
In der Qualifikation zur EM wurde man nur Vierter, sicherte sich aber über die Nations League das Ticket für die Playoffs. Dort schaltete man zuerst die nicht zu unterschätzenden Luxemburger aus, im Finale zitterte man sich im Elfmeterschießen gegen Griechenland zum Endturnier. Der Jubel kannte nach dem letzten Schuss keine Grenzen, das Land hat im 15. Anlauf zum ersten Mal die Qualifikation für ein großes Turnier geschafft.
Ein großer Anteil an diesem Erfolg wird auch dem Trainer zugeschrieben, der in Deutschland bestens bekannt ist. Ex-Bayern-Profi Willy Sagnol hat aus dem traditionell defensiv ausgerichteten und auf Zerstörung gepolten Team eine proaktive, offensivfreudige Mannschaft gemacht, die in jedem Spiel ihre Chance sucht. Da die spielerischen Mittel abseits vom georgischen Maradona begrenzt sind, wäre ein Weiterkommen in der Gruppe mit Portugal, Tschechien und der Türkei nichts anderes als eine Sensation.
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