EM Quali 2024: Die fünf größten Sensationen der Geschichte zum Qualifikationsauftakt
Island vs. Frankreich 1:1 (05.09.1998)
Die Fußballnationalmannschaft Islands machte 2016 auf sich aufmerksam, als sie sich bei der EM-Endrunde bis ins Viertelfinale vorkämpfte und erst dort an Frankreich scheiterte. Doch es war nicht das erste Mal, dass der Inselstaat für Schlagzeilen sorgte.
1998 ärgerte man ebenjenes Frankreich, damals als frisch gebackener Weltmeister im eigenen Land natürlich haushoch favorisiert. Die Isländer gingen zu Hause vor 12.000 Zuschauern nach einem Patzer von Fabien Barthez im Tor der Franzosen durch Rikhardur Dadason in der 32. Minute in Führung. Nach einem Solo-Lauf von Zinedine Zidane über links stocherte Christophe Dugarry nur vier Minuten später den Ball im Gewusel des Strafraum zum 1:1 über die Linie und alles schien seinen Lauf zu nehmen.
Die Franzosen bissen sich allerdings die Zähne an den defensivstarken Isländern aus, der Ex-Lauterer Youri Djorkaeff traf im zweiten Abschnitt nach sehenswerter Mitnahme per Hacke nur die Latte. Island nahm am Ende tatsächlich einen Punkt mit. Nach 10 Spieltagen reichte es jedoch nur zum vierten Platz in der Gruppe, während Frankreich sich als Erster für die EM 2000 in Belgien und den Niederlanden qualifizierte, die sie dann sogar nach einem dramatischen Finale gegen Italien gewannen.
Türkei vs. Deutschland 1:0 (10.10.1998)
Etwas mehr als einen Monat später erwischte es auch die deutsche Nationalmannschaft eiskalt. Im ersten Pflichtspiel nach der Demütigung im WM-Viertelfinale gegen Kroatien (0:3) wollte man neue Impulse setzen. Gegen das damals komplett unbeschrieben Blatt Türkei ist das aber mal so richtig in die Hose gegangen.
Zwar hatte Deutschland als amtierender Europameister das Spiel über 90 Minuten im Griff, doch ein Tor wollte nicht gelingen: Ulf Kirsten scheiterte mehrmals an Türkei-Keeper Rüstü Recber.
Als dann Hakan Sükür in der 70. Minute einen auf einen Freistoß aus dem Halbfeld folgenden Flipper-Ball über Oliver Kahn hinweg zum 1:0 für den Underdog köpfte, verwandelte sich das Bursa-Atatürk-Stadion endgültig in ein Tollhaus. Das Team vom damaligen Teamchef Erich Ribbeck wusste auch einen Platzverweis vom ehemaligen Bundesliga-Coach Tayfun Korkut (72.) nicht zu nutzen, sodass die Türken den ersten Sieg gegen Deutschland seit 47 Jahren einfuhren.
Deutschland beendete die Gruppe mit 19 Punkten nach 8 Spielen dennoch als Erster, auch die Türkei qualifizierte sich als Gruppenzweiter für die Endrunde.
Italien vs. Litauen 1:1 (02.09.2006)
Glanz und Gloria der italienischen Siegesfeier war kaum verhallt, Marco Materazzi nach dem Kopfstoß von Zinedine Zidane kaum wieder vom Boden aufgestanden, da stand für den frisch gebackenen Weltmeister bereits die Qualifikation zur EURO 2008 in Österreich und der Schweiz auf dem Programm. Als ersten Gegner bekam die Squadra Azzurra den Fußballzwerg aus Litauen zugelost. Die Zuschauer in Neapel erwarteten logischerweise einen klaren Heimsieg der Stars um Gianluigi Buffon, Fabio Cannavaro und Andrea Pirlo.
Da staunten sie nicht schlecht, als Tomas Danilevicius in der 21. Minute den Außenseiter aus dem Baltikum in Führung brachte. Ausgerechnet Danilevicius, der im Verein mit Livorno in der Serie A spielte. Auch wenn Schlitzohr Filippo Inzaghi nur zehn Minuten später der Ausgleich gelang, mühten sich die Italiener und kamen am Ende nicht über ein Unentschieden gegen den aufmüpfigen Kontrahenten hinaus.
Die wenigen mitgereisten Fans aus dem 3-Millionen-Einwohner-Land an der Ostsee feierten mit jeder Menge Pyrotechnik den unerwarteten Punkt. Es sollte der Auftakt zu einer historisch guten Qualifikationskampagne mit 16 Punkten sein, in der sie Siege gegen die Färöer, Georgien und die Ukraine feiern konnten. Am Ende stand man 2008 auf Platz 37 der FIFA-Weltrangliste – bis heute das beste Ranking der Nationalmannschaft jemals.
Italien hingegen fing sich wieder und marschierte mit 29 Punkten souverän durch die Qualifikationsgruppe, schied beim Endturnier aber im Viertelfinale nach Elfmeterschießen gegen Spanien aus.
Portugal vs. Zypern 4:4 (03.09.2010)
Portugal hat in den vergangenen zehn Jahren eine große fußballerische Entwicklung hingelegt. Die Fußball-Nation, die heute vor jedem größeren Turnier zumindest zum erweiterten Favoritenkreis gezählt wird, war vor nicht allzu langer Zeit ein Garant für Sensationen und Blamagen. So zum Beispiel im September 2010, als die Iberer ihr Qualifikationsspiel nicht wie üblich in einem der großen Stadien in Lissabon oder Porto austrugen, sondern ins vergleichsweise kleine Estadio D. Afonso Henriques in Guimaraes auswichen. Sicher, es ging ja nur gegen Zypern, da würde man auch den Menschen in der Fußball-Provinz gerne ein paar Tore bieten.
So kam es dann auch, nur dass die Zyprioten beim Toreschießen fleißig mitmischten. Bereits nach drei Minuten schnitt ein einfacher Steilpass von Michalis Konstantinou die portugiesische Hintermannschaft in zwei Teile, der ehemalige Cottbusser Stathis Aloneftis bedankte sich und brachte die Insulaner in Führung. Auch nach dem schnellen Ausgleich von Bremens Hugo Almeida gaben die Gäste nicht klein bei und gingen praktisch im Gegenzug durch Konstantinou wieder in Front.
Portugal spielte offensiv gut und erarbeitete sich unzählige Torchancen, von denen sie durch Raubein Raul Meireles und Russland-Legionär Danny auch zwei nutzten, doch Zypern blieb hartnäckig und kam in der zweiten Halbzeit durch Stürmer Giannis Okkas weniger Sekunden nach dessen Einwechslung wieder zum Ausgleich. Spätestens als Manuel Fernandes mit einem absoluten Traumtor auf 4:3 stellte, sahen auch die knapp 10.000 Fans in Guimaraes ihr Team mit dem Schrecken davon kommen, doch sie hatten die Rechnung ohne Andreas Avraam gemacht. 60 Sekunden vor dem Ende stand der 23-Jährige nach einem Abpraller goldrichtig und nickte (aus abseitsverdächtiger Position) zum umjubelten 4:4-Endstand ein.
Auch wenn sich Zypern noch nie für eine Welt- oder Europameisterschaft qualifizieren konnte, ging dieser Tag als einer der größten des kleinen Landes in die Fußballgeschichte ein. Die Portugiesen kämpften sich punktgleich mit Norwegen durch die Qualifikation und kamen bei der EM in Polen und der Ukraine bis ins Halbfinale, wo sie im Elfmeterschießen am großen Nachbarn Spanien scheiterten.
Tschechien vs. Niederlande 2:1 (09.09.2014)
Nicht alle Sensationen gingen am Ende so glimpflich aus. Mit den Niederlanden hat eine der ganz großen Fußballnationen in den vergangenen Jahren sehr zu kämpfen gehabt und konnte sich nach dem Vizeweltmeistertitel 2010 in Südafrika nur schwer auf dem Niveau halten. Nach dem Aus bei der EURO 2012 in der Gruppenphase und dem Halbfinaleinzug 2014 in Brasilien wähnte man sich auf einem guten Weg, die kurzzeitige sportliche Delle überwunden zu haben.
Auf dem Weg zur Europameisterschaft 2016 in Frankreich war man deshalb optimistisch, auch wenn man mit einem Auswärtsspiel in Tschechien einen unangenehmen Gegner zum Start erwischt hatte. Unangenehm wurde es dann tatsächlich auch, denn die Tschechen gingen bereits nach 21 Minuten durch Borek Dockal mit 1:0 in Führung. Die Niederländer fielen in alte Muster zurück, konnten aus dem Spiel keine große Torgefahr kreieren und konnten sich glücklich schätzen, nach einer Standardsituation durch Innenverteidiger Stefan de Vrij zum Ausgleich zu kommen.
Mit einem 1:1 hätten am Ende wohl beide leben können, doch dann kam der Auftritt von Daryl Janmaat. Der niederländische Außenverteidiger verschätzte sich nach einer tschechischen Hereingabe derart, dass er den Ball nicht zum eigenen Torwart zurück, sondern an den rechten Innenpfosten köpfte. Von da sprang der Ball zurück, vorbei am machtlosen Jasper Cillessen und vor die Füße von Vaclav Pilar, der dankbar zum 2:1 in der Nachspielzeit einschob.
Im Rückblick der Anfang vom Ende für die Niederländer, die mit Platz vier in der Qualifikationsgruppe (hinter Tschechien, Island und der Türkei!) die Europameisterschaft in Frankreich verpassten. Auch zwei Jahre später fand man sich nur auf Platz vier der Gruppe wieder und musste bei der Weltmeisterschaft in Russland zuschauen, erst 2021 war man bei der paneuropäischen EM wieder dabei.