Wie schlimm steht es um Ajax?
Historisch schlecht. Ajax Amsterdam hat nur fünf Punkte aus acht Eredivisie-Spielen geholt und die letzten fünf Spiele allesamt verloren. Ein besonderer Tiefpunkt war die 0:4-Heimniederlage gegen Erzrivale Feyenoord, welche durch gewalttätige Ausschreitungen von Ajax-Fans für zusätzliche Negativ-Schlagzeilen sorgte.
Auch in der UEFA Europa League tut sich Ajax schwer und ist in der Gruppenphase noch immer ohne Sieg. Eine zahnlose 0:2-Niederlage gegen Brighton & Hove Albion zuletzt trübte die Stimmung zusätzlich. Ajax hatte nur einen einzigen Torschuss und hatte außerdem kaum Ballbesitz.
Die niederländischen Medien nehmen sich kein Blatt vor den Mund. Das "Algemeen Dagblad" schrieb: "Das ist auch in Niger und Botswana eine Meldung wert: Ajax' Tabellenplatz. Achtzehnter. Und Letzter. Nicht nach ein paar Spielen im August. Sondern Ende Oktober. (...) Eine Momentaufnahme, so einzigartig, dass wir noch in 30 Jahren darüber sprechen werden."
Was ist eigentlich auf dem Spielfeld los?
Viele Experten machen mehrere schlechte Transferphasen für die katastrophalen Zustände bei Ajax verantwortlich. Traditionellerweise verkaufen die Amsterdamer einheimische Talente um gutes Geld und holt verhältnismäßig günstige Neuzugänge. Wenngleich die Einnahmen in letzter Zeit extrem hoch waren - gut investiert wurden die Erlöse offenbar nicht.
In diesem Sommer verkaufte Ajax den niederländischen Nationalspieler Jurrien Timber für 42 Millionen Euro an den FC Arsenal sowie die Mittelfeldspieler Edson Alvarez und Mohammed Kudus für insgesamt 71 Millionen Euro an West Ham United. Zudem wechselte der chronisch unzufriedene Dusan Tadic zum Nulltarif zu Fenerbahce.
Im Jahr zuvor hatte man bereits den argentinischen Star Lisandro Martinez und den brasilianischen Flügelspieler Antony teuer an Manchester United verkauft. Die gigantischen Einnahmen haben einen großen Wermutstropfen: passender Ersatz kam nicht.
"Noch mehr Spieler sind gegangen. Europäische Klubs haben den Kader verwüstet. Die Neuzugänge wurden schlecht gescoutet und willkürlich zusammengestellt", analysierte der niederländische Fußball-Experte Michael Statham.
Und außerhalb des Spielfelds?
Da geht es drunter und drüber. Auch im Management wird die Drehtür in hübscher Regelmäßigkeit betätigt. Vereinspolitik wird zu oft in den Hinterzimmern verhandelt, was zu einem schadhaften Mangel an Stabilität führt.
Maurice Steijn wurde Anfang des Monats entlassen und zahlte den Preis für die schockierende Formkurve des Teams. Der ehemalige Ajax-Spieler John van 't Schip wurde am Montag zum neuen Cheftrainer ernannt. Er soll das wankende Schiff am Sinken hindern.
Der technische Direktor Sven Mislintat - vergangenen Sommer für einen Großteil der Transferaktivitäten von Ajax verantwortlich - wurde im September ebenfalls entlassen. Gegen ihn wird wegen eines möglichen Interessenkonflikts ermittelt.
Die Frustration der Fans kochte über, als Ajax-Hooligans ihr eigenes Stadion verwüsteten und den Abbruch des niederländischen Klassieker-Spiels gegen Feyenoord verursachten. Zahlreiche Gegenstände wurden auf das Spielfeld geworfen.
Wie steht es um die Finanzen?
Der Verein leidet aufgrund der fehlenden Champions-League-Gelder auch unter herben Einkommensverlusten. In Zukunft wird den Verein ein schwerer finanzieller Schlag erleiden, denn die Aussicht auf europäischen Fußball in der nächsten Saison ist extrem gering.
Der Lokalsender "RTL Nieuws" berichtete, dass dem Verein ein Defizit in zweistelliger Millionenhöhe droht und wohl zum ersten Mal in der Geschichte einen Kredit aufnehmen müssen.
Kann sich Ajax erholen?
Hedwiges Maduro, der bei der Niederlage am Sonntag interimistisch auf der Trainerbank saß, sagte, er schaue "nicht auf die Tabelle". Die Ajax-Fanvereinigung veranlasste das zu der spitzen Bemerkung: "Aber der Rest der Niederlande schon".
Die Ajax-Anhänger setzen ihre Hoffnungen auf den ehemaligen Trainer Louis van Gaal, welcher in beratender Funktion in den Verein zurückgekehrt ist.
Optimisten verweisen auf die Tatsache, dass Ajax zwei Spiele weniger als Tabellennachbar Utrecht hat und bereits gegen die meisten Spitzenteams gespielt hat. Auch deshalb gehen viele Experten davon aus, dass Ajax die Saison in der oberen Tabellenhälfte beenden wird. An einen Abstieg will niemand so recht denken.
Dennoch ist es extrem ungewöhnlich für einen der bekanntesten Vereine der Welt, der mit 36 Titeln niederländischer Rekordmeister ist, sich mit dem Thema Abstiegskampf beschäftigen zum müssen. "Was für ein Sturz in Ungnade. Peinlich. Und jeder, der kein Ajax-Fan in den Niederlanden ist, liebt es", sagte Statham.
