Ruhepol und stiller Leader: Manchester City wird Ilkay Gündogan vermissen

Kurz vor bevor Ilkay Gündogan bei Manchester City ankam, hatte er die EM 2016 wegen einer ausgekugelten Kniescheibe verpasst. Er hatte nur zehn Spiele in der Premier League bestritten, schon schlug das Verletzungspech in voller Härte wieder einmal zu: Kreuzbandriss im rechten Knie, der Rest seiner Debütsaison war dahin.

Von Pep Guardiola wurde er als Nachfolger von Yaya Toure, dem alternden Helden der Zeit vor Pep, aufgebaut.

Gündogan ist ein bescheidener und wortkarger Mensch. Er hat nicht die typischen, auffälligen Charakterzüge manch anderer Superstars. Auf dem Platz erledigte er seine Aufgaben in Ruhe, ohne viel Aufsehen zu erregen – doch immer zuverlässig. Obwohl er die Maschine City erst richtig ins Rollen brachte, wurde er von der breiten Masse lange in seiner Bedeutsamkeit unterschätzt.

Unter der Anleitung Guardiolas entwickelte sich der gebürtige Gelsenkirchener zum idealen Prototyp eines Box-to-Box-Spielers, zu einem zuverlässigen Torjäger, dessen Läufe in den Strafraum immer unerwartet kamen. Wenn Gündogan im Strafraum von seinen Gegenspielern bemerkt wird, ist es meist schon zu spät. Den Schalldämpfer lässt Gündogan immer oben.

Tore am laufenden Fließband

Das Konzept funktionierte so gut, dass er in der Saison 2020/21 mit 17 Toren der beste Torschütze von Citys war und er mit einem Fünf-Minuten-Doppelpack im letzten Spiel der Saison 2021/22 seinem Team zum Meistertitel mit einem Punkt Vorsprung auf Liverpool verhalf.

Erling Haaland hat in dieser Saison zwar 52 Tore erzielt und zog die Aufmerksamkeit des Gegners auf sich. Doch auch Gündogan blieb ein ständiger Gefahrenherd. Als Kapitän führte er die Skyblues an und avancierte in den entscheidenden Momenten zum unersetzlichen Baustein in einer historischen Triple-Saison.

In einem spannenden Titelrennen, in der City über Monate hinweg Tabellenführer Arsenal hinterherhechelte, erzielte Gündogan zwei Treffer beim 2:1-Sieg gegen Leeds United und wiederholte diese Heldentat beim 3:0-Erfolg gegen Everton. Zwei Siege gegen Mannschaften aus den hinteren Tabellenregionen, die Abstand zu den Gunners erzeugten.

Im FA-Cup-Finale überraschte der 32-Jährige schließlich auch den Erzrivalen Manchester United – mit einem weiteren Doppelpack, wobei er den ersten Treffer bereits nach 12 Sekunden mit einem sehenswerten Volleyschuss erzielte. Ein Hattrick blieb ihm nur durch die zurecht gehobene Abseitsfahne verwehrt.

Vollblutprofi beeindrucken Gerüchte nicht

Als die Meldungen bekannt wurden, dass ein Abgang zum Ende der Saison wahrscheinlicher wird, dauerte es nur wenige Minuten, bis erste Gerüchte aufkamen. Arsenal, der FC Barcelona und sein Ex-Verein Borussia Dortmund seien sehr an einer Verpflichtung interessiert.

Sein im Sommer auslaufender Vertrag wurde noch nicht verlängert – weil Gündogans Management auf einen Zwei-Jahres-Vertrag, City wegen der üblichen Vereinspolitik aber nur auf ein weiteres Jahr besteht.

Der Mittelfeldspieler zeigte sich von den öffentlichen Spekulationen unbeeindruckt und hielt den Fokus aufrecht. Er wird sich wohl dann noch als Citizen fühlen, wenn er das Arbeitspapier in London, Katalonien oder sonst wo unterschrieben hat.

Gündogan identifiziert sich mit seinem Arbeitgeber. Er ist ein Vollprofi, der die einfachen Dinge in derartiger Perfektion und Zuverlässigkeit erledigt, dass er längst in die Weltklasse aufgestiegen ist.

"Wir müssen nichts Besonderes machen. Ich denke, die Einfachheit, mit der wir unsere Dinge tun, macht uns zu etwas Besonderem", hatte er vor dem Spiel in Istanbul prophezeit: "Es geht darum, dass wir uns in den Trainingseinheiten anstrengen und uns so gut wie möglich vorbereiten."

Gündogans Unaufgeregtheit ist wohl das, was Trainer Guardiola am meisten vermissen wird. Pep weiß, dass er nicht nur einen großartigen Spielmacher, sondern auch einen Freund verlieren wird. Der Coach will seinen Kapitän unbedingt halten, weiß aber auch, wie das Business funktioniert. "Er weiß, wie ich darüber denke", hatte Guardiola auf den möglichen Abgang von Gündogan verlautbart.  

Und nicht nur der Trainer, sondern auch der Spieler scheint einen Verbleib im Norden Englands noch nicht ausschließen zu wollen: "Ich habe noch nicht über meine Zukunft entschieden."

Zum Match-Center: City vs. Inter