Don Carlo vor Duell gegen Ex-Klub: In München verkannt, in Madrid geliebt
Ausgerechnet der Spielerversteher Ancelotti hatte es sich offenbar mit den Führungskräften verscherzt, ein Frevel im Spielerverein FC Bayern. Mit dem "Feind im Bett", ätzte Uli Hoeneß, sei halt nichts zu gewinnen. Weitere Vorwürfen an den Italiener: lasches Training, limitierte Taktik, dazu Vetternwirtschaft im Trainerstab. Und dass Fitness-Coach Giovanni Mauro am Trainingsplatz rauchte, stank vor allem auch Sportdirektor Hasan Salihamidzic.
Es scheint, als sei der Ancelotti, der damals in München war, ein anderer, der er jetzt in Madrid ist. Der 64 Jahre alte Bauernsohn aus der Emilia Romana hat den Laden im Griff. Seine Spieler lieben ihn. "Der beste Trainer, den ich je hatte", lobt ihn etwa Jude Bellingham, den Ancelotti nach dessen Wechsel aus Dortmund auf eine neue Position als hängende Spitze stellte und somit ein neues Niveau hob. So einer soll von Taktik keine Ahnung haben?
Ancelotti lässt in seltenen Momenten durchblicken, dass er sich nicht auf eine Rolle als Spielerversteher reduziert sehen will. "Alle gestehen mir zu, dass ich phantastisch in der Menschenführung bin", sagte er vor gut einem Jahr vor den beiden Halbfinalspielen in der Champions League gegen Pep Guardiolas Manchester City, betonte dann aber auch: "Da gibt es noch andere Dinge." Real schied trotzdem durch ein 0:4 im Rückspiel aus, ManCity gewann den Titel.
Rekordhalter in der Champions League
Nicht mit allen Klubs, bei denen Ancelotti arbeitete, hatte er auch Erfolg. Aber dennoch mehr als andere. Als einziger Trainer hat "Don Carlo" die Champions League gleich viermal gewonnen, mit der AC Mailand (2003 und 2007) sowie mit Real - 2014 während seiner ersten Amtszeit bei den Königlichen, zuletzt vor zwei Jahren zu Beginn seiner zweiten. Und kein anderer Coach hat die Meistertitel in Italien, England, Frankreich, Spanien und Deutschland vorzuweisen.
Auch Toni Kroos betont, dass Ancelotti mehr ist als der Gute-Laune-Onkel, der die Seele seiner Spieler streichelt und ansonsten den Dingen seinen Lauf lässt. Er hat ihn im ZDF einst mit Jupp Heynckes verglichen. "Vielleicht wählen sie oft den fußballerisch einfachsten Weg, aber sie wissen ganz genau, wie ihre Mannschaften spielen, angreifen und verteidigen sollen." Heynckes kam übrigens 2017 nach der Trennung von Ancelotti noch einmal zu den Bayern zurück.
Die Bayern störten sich damals auch an Ancelottis Stab, seiner "Familie", zu der neben dem rauchenden Mauro auch Sohn Davide gehörte. Der Vorwurf der Vetternwirtschaft ist in Madrid nicht zu hören, nicht zuletzt, weil der 36 Jahre alte Sohn als Assistent wertvolle Arbeit leistet. "Er gibt Carlo, was der vom zeitgenössischen Fußball nicht im Griff hat", behauptete der ehemalige Münchner Javi Martinez im Radiosender Cadena Ser. Vielleicht hätten sie damals in München nur ein bisschen mehr Geduld haben müssen.
Zum Match-Center: Real Madrid vs. FC Bayern