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Das Wunder ist misslungen: Doch Edin Terzic hat es allen bewiesen

Edin Terzic hat den BVB zu einem europäischen Spitzenteam geformt.
Edin Terzic hat den BVB zu einem europäischen Spitzenteam geformt.Profimedia
An der Sensation ist Borussia Dortmund vorbeigeschrammt, im Finale der UEFA Champions League kassierten die Schwarz-Gelben eine 0:2-Niederlage gegen das unbesiegbar wirkende Real Madrid. Doch allein der Finaleinzug bedeutet für Trainer Edin Terzic eine große Genugtuung - im Winter stand der 41-jährige Deutsch-Kroate noch kurz vor der Entlassung. Ein Kommentar von Micha Pesseg.

Eine umstrittene Entscheidung

Eine kalte Dezembernacht, unmittelbar vor dem Weihnachtsabend: Die deutschen Medien befinden sich in Lauerstellung. Dortmunds Cheftrainer Edin Terzic, so berichten vermeintliche Insider schon seit Tagen, soll entlassen werden. In der Gerüchteküche werden bereits mögliche Nachfolger gehandelt, Oliver Glasner soll ganz oben auf der Liste stehen.

Tatsächlich befinden sich Terzic, Sportdirektor Sebastian Kehl und Vereinsboss Hans-Joachim Watzke in stundenlangen, intensiven Gesprächen. Der Ausgang ist ungewiss, spätnachts wird schließlich eine Entscheidung getroffen. Man wird mit Terzic auf der Trainerbank in die neue Saison gehen - dennoch bleibt nicht alles beim Alten.

Zum Match-Center: Dortmund vs. Real

Noch mehr Spekulationen

Bald darauf wurden Nuri Sahin und Sven Bender als neue Assistenztrainer von Terzic installiert - zwei schwarz-gelbe Ikonen. Beide waren als Spieler mit der Borussia Meister geworden und hatten die legendären Erfolgsjahre unter Jürgen Klopp hautnah miterlebt.

Bender (l.) und Sahin (r.) genießen beim BVB einen ganz besonderen Status.
Bender (l.) und Sahin (r.) genießen beim BVB einen ganz besonderen Status.Profimedia

Kehl und Watzke bemühten sich darum, gegenüber der Presse den Eindruck zu erwecken, man habe Terzic den Rücken gestärkt. Externe Beobachter sehen die Entscheidung jedoch kritisch. Sobald Dortmund wieder einer Krise entgegensteuert, da ist man sich einig, würden die Rufe nach Sahin als Nachfolger nur lauter und lauter werden.

Unmittelbar nach dem Trainingsstart berichteten angebliche Augenzeugen in den sozialen Medien, dass auf dem Trainingsgelände Sahin zunehmend das Kommando übernehme. Terzic spiele während der Einheiten nur noch eine unbedeutende Nebenrolle. 

Zum Spielbericht: Borussia Dortmund vs. Real Madrid

Ein Trainer wird zum Meme

Zu diesem Zeitpunkt war der 41-Jährige auf Twitter und Co. längst zum Meme geworden. Unterredungen mit seinem Betreuerstab wurden überinterpretiert. Ein übertrieben pathetisches Video zur Verpflichtung von Jadon Sancho ("Was willst du? Was brauchst du dafür? Was kann ich erwarten?") sollte als Beweis für seine nicht vorhandene Autorität dienen.

Als Mats Hummels im Rahmen der Baller League über eine Rote Karte im Ligaspiel gegen RB Leipzig sprach, wurde das Spannungsverhältnis zwischen dem Routinier und Terzic zum hasserfüllten Konflikt hochstilisiert. Fachliche Qualitäten wurden ihm abgesprochen, er wurde auf sein einstiges Fan-Dasein reduziert.

Die Wahrheit liegt auf dem Platz

Kurzum: Terzic wurde zur Witzfigur. Traurigerweise beteiligten sich am Shitstorm auch zahlreiche erfahrene Journalisten und Influencer. Menschen, die es eigentlich besser wissen müssten.

Plötzlich gehörte es zum guten Ton, die Entlassung von Edin Terzic zu fordern - obwohl die Ergebnisse nur selten Raum zur Kritik gaben. Fast willkürlich wurde ihm taktische Ahnungslosigkeit unterstellt. Anstatt kritisch in die Analyse zu gehen, wurde ein düsteres Stimmungsbild gezeichnet.

Nur fünf Monate später wissen wir, wie viel Humbug eigentlich durch das Internet schwirrte. Denn die Wahrheit, das wird immer so bleiben, liegt auf dem Platz. Zwei Euro ins Phrasenschwein? Eine ausgezeichnete Investition.

Wer es mit Borussia Dortmund ins Finale der Königsklasse schafft, hat Großartiges geleistet. Ende der Diskussion.  

Echte Liebe, echte Größe

Akribisch arbeiteten Sahin und Bender daran, die recht eindimensionale Spieleröffnung zu erweitern und den Fokus auf lange Bälle zu minimieren. Man bemühte sich darum, erfahrene Profis wie Hummels stärker ins Mannschaftsgefüge einzubinden und talentierte Spieler wie Karim Adeyemi keinen Sonderstatus zukommen zu lassen.

Terzic wiederum zeigte sich bereit dazu, in die Selbstreflexion zu gehen. Was ihm zunächst als Schwäche unterstellt wurde, zeugt eigentlich von echter Größe.

Er gab Kompetenzen ab, vertraute auf seine neuen Co-Trainer und bot in Mediengesprächen dadurch viel Angriffsfläche. Ironischerweise wurden die Zweifel an seiner Person dadurch nicht größer, sondern von Woche zu Woche kleiner.

Zeit für Vertragsgespräche

Wer dem BVB prophezeit hatte, im Achtelfinale gegen PSV Eindhoven sang- und klanglos auszuscheiden, wurde bald eines Besseren belehrt. Und wer geglaubt hatte, dass Atletico Madrids Abwehrbollwerk den schwarz-gelben Erfolgslauf stoppen sollte, ebenso.

Auch Kylian Mbappe und Paris SG wurden im Halbfinale dank einer geschlossenen Mannschaftsleistung nicht zur Endstation. Dass man im Finale beinahe auch Real Madrid besiegen konnte, ist der endgültige Beweis: Edin Terzic und der BVB, das passt zusammen. 

Bis Sommer 2025 hat er aktuell Vertrag in Dortmund. Eine vorzeitige Verlängerung kann dem gesamten Verein nur guttun.

Watzke hatte Recht

Borussia Dortmund hat Geschichte geschrieben. Trotz des verlorenen Finales wird der 1. Juni 2024 einen Fixplatz in der Vereinsgeschichte bekommen. Abertausende Fans waren nach London gereist, um ihr Team anzufeuern, hatten ihr Kleingeld zusammengekratzt und ihre Urlaubstage eingelöst, um eine schwarz-gelbe Sternstunde mitzuerleben.

Sie wurden für ihre Geduld und Ausdauer nicht belohnt. Dennoch haben sie allen Grund, stolz auf ihren Verein zu sein - und auch auf Vereinsboss Watzke. Er hat Terzic stets die Treue gehalten. Seine Aussagen, er erkenne einen Toptrainer, wenn er einen sehe, wurde lange Zeit belächelt. Damit muss nun endgültig Schluss sein.

Ein Kommentar von Micha Pesseg.
Ein Kommentar von Micha Pesseg.Flashscore