Analyse: PSG ist für Borussia Dortmund eine machbare Aufgabe - trotz Formkrise
In Gruppe F der UEFA Champions League trifft Borussia Dortmund auf drei große Kaliber. Weder gegen Newcastle United, AC Milan, noch gegen PSG ist man klarer Favorit. In der deutschen Bundesliga ist man zwar noch ungeschlagen, nach Unentschieden gegen die Abstiegskandidaten Bochum (1:1) und Heidenheim (2:2) wurde allerdings die Kritik an Trainer und Vereinsführung lauter.
Nach einem 4:2-Sieg gegen Freiburg sind beim BVB die Rufe nach einem neuen Trainer nicht vollkommen verstummt, Edin Terzic sitzt weiterhin nicht fest im Sattel. Gerüchte, er könnte von Julian Nagelsmann abgelöst werden, machten bereits die Runde.
Ein Sieg im Parc des Princes würde dem 40-jährigen Deutsch-Kroaten dementsprechend guttun. Wenngleich Paris Saint-Germain dem Bundesligisten wirtschaftlich weit überlegen ist und international weitaus mehr Prestige genießt, darf sich Dortmund für das Spiel am Dienstag berechtigte Siegeschancen ausrechnen.
PSG: Neuer Spielstil sorgt für neue Probleme
Denn immer noch hat sich PSG nicht an den Spielstil des neuen Trainers gewöhnt. Luis Enrique hat nicht nur den Ruf, ein Ballbesitz-Fetischist zu sein - er ist es auch. An den ersten fünf Spieltagen in der Ligue 1 hatte PSG durchschnittlich 71,6 Prozent Ballbesitz pro Partie.
Das hat seine Vor- und Nachteile - viel Kontrolle ist nicht gleichbedeutend mit viel Erfolg. Ballbesitz zwingt die eigene Mannschaft dazu, das Spiel aktiv zu gestalten. Ruhepausen gibt es für die Feldspieler kaum, sie müssen sich fortwährend intelligent bewegen, und dadurch gegnerischen Abwehr die Orientierung zu rauben. Das kostet Kraft, mental und körperlich.
In der neuen Saison kann PSG noch kaum Erfolgserlebnisse aufweisen. In der Liga liegt man nur auf Platz 5 in der Tabelle und konnte erst zwei Siege feiern. Am Samstag setzte es gar eine 2:3-Niederlage gegen OGC Nizza. Enrique bereitet das - Stand jetzt - keine großen Sorgen. Er weiß, dass sich seine Mannschaft erst an die neue Spielweise gewöhnen muss: “Wir sind nicht besonders gut in die Saison gestartet, aber jedes Mal, wenn ich irgendwo hinkomme, ist es so gewesen.”
Der starke Fokus auf das Passspiel geht zulasten des Tempos. Durchschnittlich kommt PSG in der Saison 2023/24 auf 6,09 Pässe pro Ballbesitzsequenz. Zum Vergleich: bei Borussia Dortmund sind es nur 3,59 Pässe pro Sequenz.
BVB: Der Schlüssel zum Erfolg - direkte Pässe
Übersetzt heißt das: Der BVB versucht nach dem Ballgewinn deutlich schneller, in Aktion zu kommen, Torchancen zu kreieren. BVB-Trainer Edin Terzic liebt das direkte Passspiel - wie die folgende Situation aus dem Ligaspiel gegen Freiburg (4:2) beweist. Julian Brandt kam nur 14 Sekunden nach der Balleroberung zum Abschluss.
Einen langen Ball von Mats Hummels ließ Donyell Malen zunächst auf Abräumer Emre Can abprallen. Der Clou: durch die schnellen Tempo- und Richtungswechsel waren Freiburgs Mittelfeldspieler weit aufgerückt. Dahinter war massig freier Raum entstanden.
Can erkannte das, spielte sofort den Pass in die Tiefe, auf Julian Brandt. Ohne zu zögern, schoss er aufs gegnerische Gehäuse - an welchem die Kugel nur knapp vorbeizischte. Beachtenswert: Nachdem Malen den Ball klatschen gelassen hatte, suchte er sofort den Weg in die Tiefe, um sich Brandt als Passoption aufzudrängen. Sebastien Haller und Karim Adeyemi banden dort bereits die gegnerischen Innenverteidiger, wodurch der BVB kurzzeitig Überzahl im gegnerischen Strafraum hatte.
Letztlich keine gelungene, aber eine gefährliche Aktion. Ein Spielzug, der den Gastgebern am Dienstag wehtun kann. Am Samstag kassierte die Mannschaft von Luis Enrique nach beinahe identischen Situationen gegen Nizza drei Gegentore. Konterabsicherung und Restverteidigung lassen zu wünschen übrig. Ein einstudierter Spielzug, wie man ihn bei PSG unter Luis Enrique kaum zu sehen bekommt. Um eine vergleichbare Dynamik zu erzeugen, ist der französische Serienmeister zu sehr auf Ballsicherheit und optische Dominanz bedacht.
In Dortmund ist ein Aufwärtstrend erkennbar
Beim Sieg gegen Freiburg hat beim BVB nicht alles geklappt - aber schon einiges. Borussia Dortmund erzeugte reichlich Torgefahr und Phasen, in denen man an jene Mannschaft erinnerte, welche vergangenes Jahr nach acht ungeschlagenen Spielen in Folge beinahe deutscher Meister wurde.
Allerdings mangelt es noch an Konstanz. Man hat weiterhin nicht bewiesen, über 90 Minuten hinweg Präsenz zu zeigen. “Was uns nicht gefällt, ist, dass wir nach der ordentlichen Startphase die Kontrolle nicht hochhalten konnten”, stellte Edin Terzic am Samstag fest.
Knüpft man an die gelungenen Aktionen an und legt den Fokus am Dienstag auf die eigentliche BVB-Stärke, nämlich direkte Kombinationen und schwer auszurechnende Tiefenläufe: ist es auf jeden Fall möglich, dass man aus Paris das ein oder andere Pünktchen mitnehmen kann.