Saison-Vorschau mit Jan Koller: Bundesliga macht "mehr Spaß" als Premier League
F: Jan, was ist Ihre Prognose für die neue Bundesliga-Saison? Die Bayern haben in der letzten Spielzeit nach 11 langen Jahren erstmals den Meisterschafts-Titel verpasst.
A: Das ist richtig. Bayern ist es nicht gewohnt, die Bundesliga nicht zu gewinnen. Die Fans haben den Titel als selbstverständlich angesehen. Ich denke, sie werden sich auf jeden Fall besser vorbereiten als in der letzten Saison. Sie sind am Ende nur Dritter geworden, das wurde als großer Rückschlag empfunden. Deshalb wird im Lager des Vereins gerade viel Mühe und Aufmerksamkeit darin investiert, dass sich so etwas nicht wiederholt. Ich denke, Bayern hat große Motivation für die neue Saison. Aber am gespanntesten bin ich dennoch auf Leverkusen - ob sie den Titel vom letzten Jahr verteidigen und wieder richtig guten Fußball spielen können.
Sie glauben also daran, dass Leverkusen erneut eine Chance hat?
Es sieht so aus, als ob die Mannschaft relativ zusammengeblieben ist und auch Trainer Xabi Alonso ist geblieben. Das scheint mir eine gute Basis zu sein. Deshalb gehören sie sicherlich wieder zu den Favoriten.
Leverkusen und Bayern die Favoriten - Dortmund vor Umbruch
Ihr Herz haben Sie bei Borussia Dortmund gelassen. Vor der Saison gibt es einige Veränderungen. Trainer Edin Terzic hat aufgehört, Ikone Marco Reus ist weg und auch Torjäger Niclas Füllkrug hat den Klub gewechselt.
Das ist eine Entwicklung, die jede Mannschaft im Laufe der Zeit mal durchmacht. Aber ich fand die Transferaktivitäten im Sommer gut. Dortmund ist aktiv gewesen und ich bin gespannt, wie sich die Neuzugänge schlagen. Ob Maximilian Beier und Serhou Guirassy, die die Bundesliga aus der Vorsaison kennen, oder Pascal Gross. Das sind allesamt sehr interessante Spieler. Ich glaube, dass es vor allem in der Liga besser werden wird. Das Champions-League-Finale im letzten Jahr war toll, aber im Grunde war es nicht im Plan.
Welche anderen Mannschaften haben noch eine Chance, in den Titelkampf einzugreifen?
In der Bundesliga weiß man nie. Jedes Jahr taucht eine Mannschaft auf, mit der man vor der Saison nicht gerechnet hätte. Letztes Jahr war es Stuttgart, davor war es Union Berlin. Leipzig wird auf jeden Fall Ambitionen haben, wieder in den Titelkampf einzusteigen und ganz oben zu stehen.
Deutschland war kürzlich Gastgeber der Europameisterschaft und hat mir vollen Stadien geglänzt. Kann dieses Fußballfest das Interesse am Fußball weiter steigern?
Eher schwierig. Denn wenn keine neuen Stadien gebaut werden, geht viel mehr ja gar nicht mehr. Das ist aktuell auch Thema in Dortmund, das ohne Probleme ein Stadion mit 120.000 Plätzen füllen könnte. Schon letztes Jahr wurden 55.000 Dauerkarten verkauft und dieses Jahr war das Interesse noch größer. Leverkusen zum Beispiel hat ein kleines Stadion, nur 30.000 Plätze. Ich denke, sie werden ein größeres bauen müssen.
Bundesliga die "attraktivste Liga"
Wo sehen Sie den Grund für den deutschen Fußballrausch?
Das Medieninteresse ist riesig. Aber in erster Linie geht es um das, was geboten wird. Jeder, der die Bundesliga sieht, wird bestätigen, dass das Produkt großartig ist und die Menschen in Deutschland wirklich Spaß am Fußball haben.
Das gilt aber auch für die englische Premier League.
England hat den Ruf, die Crème de la Crème zu sein - über die Qualität brauchen wir nicht zu reden. Aber wenn ich mir den Fußball in der Bundesliga im Nachhinein anschaue, macht er mir persönlich mehr Spaß. Und selbst wenn ich sie mit der spanischen oder italienischen Liga vergleiche, ist die deutsche Liga für mich die attraktivste. Es werden tolle Spiele geboten, egal, ob die Mannschaften gegen den Letzten oder den Vorletzten spielen. Es ist einfach immer etwas los.