Heik (Senior Editor): Australian Open Finale (Januar)
"Eine der größten Heldentaten in der Geschichte des Sports", betitelte die AS den Marathon-Sieg Rafael Nadals über Daniil Medvedev gleich zu Beginn des Jahres, nachdem der Spanier eine epische Partie nach 0:2 Satzrückstand in über fünf Stunden noch zu seinen Gunsten gedreht hatte.
Was den Australien Open-Sieg noch historischer gestaltete, sind jedoch andere Umstände: In vier Finals zuvor bei den Australian Open war es einem topfitten Nadal nicht gelungen, seinen zweiten Triumph im Melbourne Park einzufahren. Dabei erlebte er teils dramatische Niederlagen, wie bei den Fünfsatz-Krimis 2017 gegen Roger Federer und 2012 gegen Novak Djokovic, von vielen Experten angesehen als die beste Tennis-Partie der Geschichte. Zudem hatte der Mallorquiner aufgrund seiner degenerativen Fußkrankheit im Vorfeld der AO 2022 monatelang pausieren müssen, ein Karriereende stand lange im Raum. Das Jahr 2022 galt für Nadal generell als gefährdet.
Doch dieser trotzte allen Hindernissen, kämpfte sich im fortgeschrittenen Sportleralter von 35 Jahren nochmals zurück, und krönte sich mit dem 21. Grand-Slam-Titel (mittlerweile 22) erneut als alleiniger Rekordhalter vor Djokovic (damals 20), dem bei eben jenem Turnier obendrein spektakulär die Teilnahme verwehrt wurde.
Durch den späteren Sieg bei den French Open, seinem 14. Triumph in Roland Garros, setzte Nadal zudem den Grundstein für ein weiteres, spannendes Tennis-Jahr 2023. Sind Nadal und Djokovic nach wie vor in der Lage, Grand Slams zu gewinnen und ihr Konto nochmals zu erhöhen, oder findet im neuen Jahr die endgültige Wachablösung der neuen Generation um Carlos Alcaraz und Co. statt?
Conrad (Freier Mitarbeiter): Basketball-Europameisterschaft in Berlin (September 2022)
Die besten Basketballer des Planeten in meiner Heimatstadt. Einmal Giannis Antetokounmpo (Griechenland), Luka Doncic (Slowenien) und Nikola Jokic (Serbien) auf dem Parkett der Mercedes-Benz Arena bewundern. Dieser Traum wird im September wahr. Dafür leiste ich mir auch die teuren Tickets. Im Finale soll es zum Showdown der Superstars kommen. Doch es kommt alles anders. Slowenien unterliegt Polen, Serbien verliert gegen Italien. Deutschland bezwingt Titelfavorit Griechenland und zeigt die beste Leistung seit Jahren. Berlin und ganz Deutschland sind im Basketballfieber. Die DBB-Auswahl feiert mit Bronze die erste EM-Medaille seit 2005. Statt Dirk Nowitzki heißen die neuen Helden Dennis Schröder, Franz Wagner und Maodo Lo. Ein Moment, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Kevin (Senior Editor): Basketball-Europameisterschaft in Berlin (September 2022)
Auch Ich habe mir das Basketball-Spektakel in Berlin angeschaut. Eine Basketball-Europameisterschaft, die noch nie so stark besetzt war wie in diesem Jahr und dennoch marschierte die DBB-Auswahl bis ins Halbfinale. Im Viertelfinale gewinnt die deutsche Auswahl sogar gegen Griechenland und Giannis Antetokounmpo, den "griechischen Freak", den vielleicht besten Spieler der Welt, ehe es im Halbfinale gegen Spanien nicht mehr weiter ging. Dennoch war die Stimmung bei der knappen Niederlage gegen Spanien unvergleichlich in einer ausverkauften Mercedes Benz Arena in Berlin.
Lange war es her, das Deutschland in einem Turnier so gut abschloss und das noch im eigenen Land. Die deutsche Mannschaft schnitt besser ab als Slowenien mit Luka Doncic, Griechenland mit Giannis Antetokounmpo oder auch Serbien mit Nikola Jokic. Der Sieg gegen Polen im Spiel um Platz drei und die damit verbundene Bronze-Medaille war mein Sportmoment des Jahres 2022.
Anton (Junior Editor): Abschiedsspiel Roger Federer in London (September 2022)
Es passiert selten im Sport, dass man bereits vor Beginn der Partie weiß, gleich Historisches zu sehen. Im September dieses Jahres war allen Zuschauern in London und an den Fernsehern klar, dass die folgenden Stunden des Laver Cup-Doppelspiels zwischen Jack Sock/Frances Tiafoe und Roger Federer/Rafael Nadal in die Sportgeschichte eingehen würden. Mehr als 20 Jahre dauerte die Karriere von Roger Federer an, als einer der erfolgreichsten Sportler aller Zeiten ging er nun in sein letztes Spiel als Profispieler. Obwohl ich leider nicht in der Halle war, überkam mich auch vor dem Fernseher die ganze Wucht der Erinnerungen an Federers Karriere. Wie viele andere Tennisfans auf der ganzen Welt bin ich mit dem Schweizer aufgewachsen, mit seiner Rückhand, die so spielerisch leicht aussah, als würde er einen Tischtennisball schlagen. Aufgewachsen mit all seinen Titeln und Erfolgen, aber vor allem mit seiner Bodenständigkeit. Mit der kindlich-beruhigenden Gewissheit, dort ein wahres Vorbild zu haben, nicht nur im Sportlichen.
An diesem Abend in der O2-Arena hatten sich alle Größen des Tennissports eingefunden, um mit ihrem gemeinsamen Freund und Rivalen dessen Abschied von der großen Bühne zu feiern. Was für eine tolle und passende Idee, das letzte Spiel des Großmeisters an der Seite seines kaum minder bewundernswerten Dauerrivalen Rafael Nadal stattfinden zu lassen. Es war eine Randnotiz, dass die beiden das Spiel gegen das US-amerikanische Duo Sock/Tiafoe verloren. Spätestens bei den Tränen Rafael Nadals nach dem Spiel und der ergreifenden Rede Federers im Anschluss hatte mich das Spektakel komplett in seinen Bann gezogen.
Mit Roger Federer verließ ein ganz Großer des Sports im Jahr 2022 die aktive Bühne. Man kann nur offen, dass der Schweizer in anderer Funktion in die Öffentlichkeit zurückkehrt, denn ein Vorbild wie ihn kann sich jedes Kind nur wünschen.
Micha (Junior Editor): Messis Zauberpass gegen die Niederlande (Dezember 2022)
Zugegeben, ich mache mir die Sache einfach. Lionel Messi war bei der WM 2022 überragend. Das wissen wir auch alle - warum also diesen Moment zum wiederholten Mal beschreiben? Warum über einen Pass sprechen, den ohnehin knapp eine Milliarde Menschen live miterlebt haben? Weil dieser Moment mir vor Augen geführt hat: Der GOAT ist noch immer da - er hat sich bloß ein wenig verändert.
Die WM 2006 war meine Geburtsstunde als Fußballfan. Vor dem Turnier war mir ein Buch über Diego Maradona in die Hände gefallen, mein Heimatland (Österreich) war nicht vertreten, also unterstützte ich Argentinien. Damals hießen die Gaucho-Stars Hernán Crespo, Juan Román Riquelme und Javier Zanetti. Lionel Messi galt als riesiges Talent, machte es sich aber meist auf der Bank gemütlich. Beim 6:0 gegen Serbien (und Montenegro - ja, lange her das alles) steuerte er als Einwechselspieler ein Tor und eine Vorlage bei. Die Geschichte vom Viertelfinale und Lehmanns Spickzettel kennen wir.
In den folgenden Jahren prägte Messi zusammen mit dem FC Barcelona mein Verständnis von Fußball. War Tiki Taka bloß sinnloses Herumschieben des Balles? Nein, die vielen Kurzpässe waren Vorspiel für grandiose Aktionen von La Pulga gewesen. Cristiano Ronaldo ist athletischer, wuchtiger und womöglich ehrgeiziger als Messi - aber der Floh ist der bessere Fußballer. Er bringt nicht nur Tempo, Ballgefühl oder einen ausgeprägten Torriecher auf den Rasen. Er versteht das Spiel wie kaum ein anderer. Dadurch konnte er sich laufend zu einem besseren Spieler entwickeln, sich neu erfinden. Dadurch konnte er sich an Alterserscheinungen deutlich besser anpassen als CR7.
Zu Beginn seiner Karriere war Lionel Messi weder intelligenter Passgeber noch grandioser Freistoßschütze. Beides wurde er erst im Laufe der Jahre. Gegen die Niederlande konnte sich der Floh lange nicht aus der Manndeckung von Nathan Aké befreien. Mit engmaschigen Dribblings blieb er am orangen Abwehrblock hängen. Er war vor Probleme gestellt, die erst neue Lösungen verlangten. Also zauberte er den wohl schönsten Schnittstellenball der WM-Historie aus dem Fußgelenk. Nahuel Molina bedankte sich und der gesamte Globus ahnte: Dieser Kerl kann tatsächlich Weltmeister werden.