Davis Cup Geschichtsstunde: Italienisches Drama 1976 und die Helden von heute
1998: Verletzungspech und Pleite im heimischen Mailand
Es ist 25 Jahre her, dass eine italienische Tennismannschaft ein Davis-Cup-Finale erreicht hat. 1998 wurde man in Mailand von Schweden geschlagen.
Es war eine Niederlage, die in Italien aufgrund der Art und Weise, wie sie zustande kam, immer noch schmerzt: Gaudenzi holte im fünften Satz zwei Breaks gegen Magnus Norman zurück und führte mit 6:5, bevor er sich die Schulter auskugelte, was ihn zur Aufgabe zwang. Es sollte das entscheidende Ereignis des Finals sein, denn Landsmann Sanguinetti konnte im Anschluss gegen Magnus Gustafsson nichts mehr ausrichten. Auch im Doppel zusammen mit Nargiso gegen Bjorkman und Kulti gelang lediglich ein Satzgewinn.
Der Traum von Sinner und Co. ist es deshalb vielmehr, die in das Gedächtnis des italienischen Tennissports eingebrannte Leistung von "La Squadra" im Finale 1976 zwischen Chile und Italien zu wiederholen. Ein legendäres Finale, über das auch ein Dokumentarfilm gedreht wurde. Vor allem aufgrund des politischen Kontextes.
Das Finale 1976 im roten Trikot
Das italienische Team um Adriano Panatta, Corrado Barazzutti, Paolo Bertolucci und Tonino Zugarelli, ohne Spielführer Nicola Pietrangeli, trat im Finale gegen Chile an, da sich die Sowjetunion zuvor geweigert hatte, das Rückspiel in dem südamerikanischen Land auszutragen, in dem wenige Wochen vor dem ersten Spiel in Moskau ein Staatsstreich stattgefunden hatte. Durch diesen war Salvador Allende entmachtet worden. Nachfolger Augusto Pinochet verfolgte Linke, Sozialisten und politische Kritiker, und ließ diese hinrichten.
Selbst in Italien wurde über einen möglichen Boykott des Spiels diskutiert, nicht zuletzt, weil das Spiel zwischen den beiden Nationalmannschaften im chilenischen Nationalstadion ausgetragen wurde, das als Konzentrationslager für eben jene politischen Gegner des Regimes diente.
Der italienische Tennisverband entschied sich letztendlich dazu, anzutreten. Panatta und Genosse Bertolucci trugen aus Protest gegen die chilenische Regierung das rote Trikot, eine Hommage an die Opfer von Pinochets Repression, und tauschten es erst im finalen Spiel gegen das blaue aus. Am Ende triumphierte Italien mit 4:1, wobei der einzige chilenische Punkt im letzten unbedeutenden Spiel erzielt wurde.
Die möglichen Helden von heute
Das heutige Finale könnte dagegen die Legende eines jungen Italieners einleiten: Jannik Sinner. Der Mann, der in der Lage war, den unzermürbbaren Novak Djokovic, den wohl stärksten Tennisspieler der Geschichte, zweimal an einem Tag zu besiegen. Der Mann, der Italien ins Finale führte und sich mit dem Gewinn der Salatschüssel heute in der Heimat unsterblich machen würde.
Doch auch wenn Italien mit Sinner gegen De Minaur als Favorit in die Partie geht - fünf Siege aus fünf Matches für den Südtiroler, wird es wohl erst im zweiten Einzel und dem eventuellen Doppel danach um die Trophäe gehen. Arnaldi trifft nach dem Auftaktmatch auf die Nummer 40 der ATP, Alexei Popyrin.
Im finalen Doppel könnte es dann zum Showdown kommen: Mit Matthew Ebden, die Nummer vier der Welt im Doppel, und Max Purcell, die Nummer 35 der ATP-Rangliste, verfügen die Australier über ein hervorragendes Duo, das bereits gegen Großbritannien, Frankreich und die Schweiz, sowie in Malaga gegen die Tschechische Republik den entscheidenden Punkt eingebracht hatte.
Australien, 28-maliger Pokalsieger, hat mit Coach Hewitt, der als Spieler bereits 1999 und 2003 im Davis Cup triumphierte, zudem einen Talisman auf der Bank. Australien hat Italien in acht von zwölf Spielen des Wettbewerbs besiegt.