Das Licht brennt noch immer: Schalke siegt im Kellerduell mit VfB Stuttgart
Schalke ist das Unmögliche gelungen. Nach dem vierten 0:0 hintereinander wurden die Töne in der Vorwoche rauer, das Eichhörnchen ernährte sich nach dem Geschmack mancher königsblauer Fans und vieler Kritiker etwas zu langsam. Im Duell mit dem direkten Konkurrenten im Abstiegskampf gegen Stuttgart — da waren sich alle einig — musste ein Sieg her: ansonsten würde es im Tabellenkeller schnell zappenduster werden.
Doch wie anstellen, wenn der Ball einfach nicht den Weg ins gegnerische Netz finden will? Durch die Neuverpflichtung von Moritz Jenz und den Wechsel auf der Torhüterposition hatte Thomas Reis defensiv für Stabilität gesorgt. Unentschieden gegen Köln, Mönchengladbach, Wolfsburg und Union sind für einen Tabellenletzten keine Selbstverständlichkeit. Die negative Seite der Medaille: trotz 83 gefährlicher Angriffe war in den letzten 6 Spielen nur ein Treffer gelungen.
Gegen den VfB platzte der Knoten endlich. Zum Leidwesen von Bruno Labbadia: "Wir wollten vermeiden, dass sie die langen Bälle spielen. Das hat Schalke die ersten 45 Minuten die ganze Zeit gemacht. Da waren wir nicht bereit, die langen Wege zu gehen. Die Tore waren dann einfach zu billig. Das ist ärgerlich. In der zweiten Hälfte haben wir gesehen, was möglich war."
Zwei neue Außenverteidiger bei Schalke
Thomas Reis sah sich zu einigen Umstellungen gezwungen. Mit Brunner, Ouwejan und Uronen fehlten ihm gleich drei Außenverteidiger, eine Umstellung auf Dreierkette zog der Schalke-Coach zumindest in Erwägung. Letztlich entschied er sich, bei der bewährten Viererkette zu bleiben und zwei junge Eigengewächse auf eine Talentprobe zu stellen. Henning Matriciani (22) agierte als Linksverteidiger, Mehmet Can Aydin (21) als Rechtsverteidiger. Anstelle des unter Problemen mit dem Sprunggelenk leidenden Soichiro Kozuki rutschte Marius Bülter in die Startelf. Ein Glücksgriff, wie sich später herausstellen sollte.
Labbadia setzte unterdessen weiter auf ein 4-3-3, auch Fabian Bredlow wurde als neue Nummer eins bei den Schwaben bestätigt. Silas mimte in Abwesenheit von Tiago Tomas und Serhou Guirassy den Mittelstürmer. Der von 2006 bis 2013 in Gelsenkirchen ausgebildete Chris Führich agierte als linker Flügelstürmer. Im Pressing gegen den Schalker Spielaufbau positionierte er sich zumeist aber auf Höhe von Silas, Gil Dias agierte im Vergleich dazu gegen den Ball deutlich passiver. Grundsätzlich setzte der Stuttgart-Trainer aber auf dieselbe Startelf wie beim 3:0-Sieg gegen Köln.
Die Stimmung in der ausverkauften Veltins Arena war von der ersten Minute an ausgezeichnet, als Dominick Drexler in Minute 10 das erste Schalke Tor nach 404 Spielminuten ohne eigenen Treffer erzielte, glich sie einem Tollhaus. Schalke agierte mit gewohnt enger Manndeckung, Stuttgart wusste der laufintensiven Spielweise der Gastgeber zunächst nichts entgegenzusetzen. Wenngleich die Knappen die Anfangsphase dominierten, mehr Ballbesitz und bessere Zweikampfquoten aufweisen konnten, fand man im Spielaufbau nicht immer spielerisch kluge Lösungen.
Bülter brasilianisch
Dem Führungstreffer durch Drexler war ein gewonnener Zweikampf von Matriciani vorausgegangen. Mit etwas Glück leitete er den Ball zu Michael Frey weiter. Der Mittelstürmer hatte sich auf die Außenbahn fallen lassen und überraschte mit einer punktgenauen Flanke. Drexler hatte sich am unaufmerksamen Borna Sosa vorbeigeschwindelt, erzielte per Kopf den wichtigen Führungstreffer für Schalke.
Auch in der Folge blieb die Heimmannschaft am Drücker. Im Mittelfeld verliehen Alex Kral und Tom Krauß dem Gelsenkirchener Spiel eine gewisse Kompaktheit. Im ersten Durchgang wirkte Stuttgart im Spiel gegen den Ball schwächer als in den vorangegangenen Spielen, oft überspielten die Gelsenkirchener die gegnerische Formation mit langen Bällen, auf den Außenbahnen ergab sich immer wieder viel Platz. Chris Führich entschied sich zudem in der 15. Minute für einen Distanzschuss, anstatt für das Zuspiel auf den besser positionierten Silas. Zu hastig abgeschlossen, die Kugel flatterte klar am Tor von Ralf Fährmann vorbei.
Auf der Gegenseite zeichnete sich der spielstarke Rodrigo Zalazar immer wieder mit klugen Pässen und Dribblings aus. Der 23-jährige Uruguayer scheiterte mit einem direkten Freistoß in Minute 31 an Fabian Bredlow, neun Minuten später verzeichnete er eine Torvorlage. Uneigennützig hatte Frey das Spielgerät auf Zalazar weitergeleitet. Er ließ Sosa stehen, brachte den Ball zur Mitte — und Marius Bülter entdeckte den Brasilianer in sich. Per Hacke lenkte er das Spielgerät perfekt in die lange Ecke. Eine wunderschöne Bude! Mavropanos und Bredlow konnten das Spielgerät nur noch aus dem Netz fischen.
Stuttgart gibt sich nicht auf
Labbadia reagierte zur Pause, brachte Tanguy Coulibaly für den harmlos gebliebenen Dias ins Spiel. Coulibaly hatte in der Vorwoche als Joker getroffen. Innenverteidiger Ito blieb wegen Rückenproblemen ebenfalls in der Kabine, er wurde durch Dan-Axel Zagadou ersetzt. Die Wechsel zeigten offensichtlich Wirkung, ebenso wie die höchstwahrscheinlich energiegeladene Halbzeitansprache des Stuttgarter Cheftrainers. Im ersten Durchgang hatte der VfB in allen entscheidenden Szenen das Nachsehen. Nach der Pause änderte sich das Bild.
Schalke zog sich tief in die eigene Hälfte zurück. Eine ängstliche Variante, doch wenn die vergangenen Wochen eine Sache bewiesen haben: dann, dass die Elf von Thomas Reis zu mauern weiß. Zwar harmonierte der eingewechselte Coulibaly im Zusammenspiel mit Silas ausgezeichnet, in der Regel klärten jedoch Aydin, Yoshida oder Jenz das Spielgerät aus dem Sechzehner.
Dass Stuttgart verkürzen konnte, ist Ralf Fährmann zu verdanken. Mit einem haarsträubenden Fehler beendete er seine Ohne-Gegentor-Serie nach immerhin 423 Minuten: Ein Fernschuss von Borna Sosa glitt ihm durch die Finger, die Kugel rollte hinter die Linie (63.). Der Kroate hatte seine in Halbzeit eins offenbarten Schwächen mit dem Anschlusstreffer wiedergutgemacht, brachte den VfB zurück ins Spiel.
Die letzte halbe Stunde wurde zur Abwehrschlacht, immer seltener gelang es S04, Entlastungsangriffe zu starten. Die königsblauen Fans waren von der Aussicht auf den ersten Dreier seit 9. November 2022 elektrisiert. Gewonnene Zweikämpfe wurden wie Treffer bejubelt, man versuchte, das eigene Team zum Sieg zu peitschen. Und das gelang auch, zum Leidwesen der Stuttgarter.
Durch die Niederlage im Kellerduell steckt der VfB unverändert am Tabellenende fest. Zwar liegt man auf Platz 15 und befindet sich somit weiterhin am rettenden Ufer. Das jedoch denkbar knapp: Hoffenheim und Bochum stehen ebenfalls bei 19 Punkten. Auf alle drei Mannschaften hat Königsblau nun nur noch drei Punkte Rückstand. Der FC Schalke 04 schöpfte vor dem nächsten 6-Punkte-Spiel gegen Bochum viel Hoffnung.