CL-Preview: Napoli großer Favorit gegen Frankfurt – Borré als Hoffnungsträger
Georgischer Wirbelwind und Wolfsburg-Flop
Die SSC Napoli geht mit einer maximal breiten Brust in das Rückspiel gegen Eintracht Frankfurt. In der Serie A ist die Meisterschaft inzwischen nur noch eine Formsache. 18 Punkte Vorsprung haben die Süditaliener auf den hartnäckigsten Verfolger, Inter Mailand. Zuletzt siegte Neapel in der Liga mit 2:0 gegen Atalanta Bergamo und überzeugte in allen Belangen.
Die Defensive der Neapolitaner ist eine der stabilsten Europas. Alex Meret und sein Vertreter Pierluigi Gollini blieben in jedem zweiten Ligaspiel ohne Gegentreffer (13 von 26 Serie-A-Spiele zu null). Insgesamt haben die Kampanier erst 16 Gegentreffer in der Liga geschluckt. In keinem Pflichtspiel in diesem Jahr hat man mehr als zwei Gegentore kassiert. Nicht nur in der Serie A hat die beste Defensive – was angesichts des italienischen Stils schon eine große Auszeichnung ist. Man stellt im europäischen Vergleich aller Top-5-Ligen die zweitbeste Abwehr hinter dem FC Barcelona mit Torhüter Marc-André ter Stegen.
Die Offensive Neapels ist ohnehin sensationell. Das sollte nicht nur den Frankfurtern bekannt sein. Mit Torjäger Victor Osimhen, der die Serie A kurz und klein schießt, und im Hinspiel das 1:0 für die Neapolitaner erzielte und Khvicha Kvaratskhelia haben sich zwei Ausnahmekönner gefunden. Osimhen, der einst beim VfL Wolfsburg vorschnell als Flop abgestempelt wurde, traf bereits in der letzten Saison 14-mal in Italiens Oberhaus.
Doch er hat sich noch einmal weiterentwickelt, genau wie die Mannschaft Napolis. Als im Sommer gestandene Stars wie Kapitän Lorenzo Insigne, Rekordtorschütze Dries Mertens, Abwehrchef Kalidou Koulibaly und Mittelfeldantreiber Fabian Ruiz den Verein verließen, musste man sich fast Sorgen um die Süditaliener machen. Cristiano Giuntoli, seines Zeichens Sportdirektor Neapels, legte 10 Millionen Euro für einen unbekannten und unaussprechlichen Georgier hin, der inzwischen über Italien hinaus als "Kvaradona" bekannt ist.
Kvaratskhelia, der im Hinspiel zwar einen Elfmeter verschoss, aber das 2:0 durch Giovanni di Lorenzo sehenswert per Hacke vorbereitete, hat in Italien voll eingeschlagen. Kvaratskhelia und Osimhen, das funktioniert: Beweis gefällig? Am Wochenende bereitete Osimhen den Führungstreffer gegen Atalanta vor. Torschütze, nachdem er vier Gegenspieler ausdribbelte und teilweise auf den Hosenboden schickte? Na klar, "Kvaradona".
Zweckoptimistische Frankfurter
Eintracht Frankfurt liebt den Europacup. Aus der Erfahrung weiß man: international sind die Adler immer für eine Überraschung gut. Der Respekt vor Napoli ist dennoch riesig. Nach dem Hinspiel herrschte am Main ein übereinstimmendes Stimmungsbild vor: So eine starke Mannschaft haben wir lange nicht mehr im Deutsche Bank Park zu Gast gehabt. Das Tempo, mit dem Lozano, Osimhen und Kvaratskhelia auf den Kasten von Kevin Trapp losstürmten, hinterließ einen bleibenden Eindruck.
Die Hoffnung auf den Einzug ins Viertelfinale wurde trotz eines 0:2-Rückstands noch nicht aufgegeben. Oliver Glasner erklärte direkt nach dem Hinspiel, man wolle "nicht die weiße Fahne hissen", und gab sich auch auf der abschließenden Pressekonferenz vor der Partie angriffslustig: "Ich nehme die Jungs sehr positiv wahr. Das Abschlusstraining war sehr gut. Wir müssen einen 0:2-Rückstand wettmachen, das ist unser Ziel", so der Trainer, der keinen genauen Matchplan verraten wollte. "Das spielt keine Rolle. Wir müssen mindestens zwei Tore schießen, in der regulären Spielzeit sogar drei. Ob früh oder spät, ist egal. Wir werden alles, was wir haben, zeigen müssen. Und davon haben wir viel."
Die SGE weiß um ihre besonderen Qualitäten in europäischen Bewerben. Allerdings waren die Qualitätsunterschiede im Hinspiel augenscheinlich. In den letzten drei Bundesliga-Duellen präsentierte sich die Defensive extrem fehleranfällig. Am Samstag leistete sich Tuta einen folgenschweren Bock. Sein Stellungsspiel vor dem 1:1-Ausgleich für Stuttgart war miserabel. In den letzten fünf Ligaspielen kassierte die Eintracht acht Gegentreffer.
Der öffentliche Druck auf die Mannschaft ist in den vergangenen Wochen laufend gestiegen. Nach dem grandiosen Kalenderjahr 2022 waren die Erwartungen ins Unermessliche geklettert. Anfang des Jahres erklärte die Vereinsführung Platz 4 – also die erneute Champions-League-Qualifikation – zum Saisonziel. Seitdem häufen sich die Konzentrationsfehler, man rutschte auf Platz 6 ab. Die siebtplatzierten Mainzer haben nur noch vier Punkte Rückstand auf Frankfurt.
Für zusätzlichen Wirbel sorgte ein Beschluss des italienischen Innenministerium. Fans aus Frankfurt am Main sind nicht willkommen. Ein in Zusammenarbeit mit der Präfektur Neapel erarbeiteter Erlass besagt untersagt aufgrund vermeintlicher Sicherheitsbedenken "Eintrittskarten an Personen mit Wohnsitz in Deutschland zu verkaufen". Später wurde revidiert, lediglich Personen mit Wohnsitz in Frankfurt dürften nicht nach Neapel reisen.
Vorstandsmitglied Philipp Reschke betonte, sich auf solche Spielchen nicht einlassen zu wollen: "Der neue Erlass ist in Inhalt und Begründung nicht minder rechtswidrig (...). Daher werden wir auf das Auswärtskontingent vollständig verzichten, sollte sich an der Verfügungslager nicht wider Erwarten noch kurzfristig etwas ändern."
Zum Match-Centre: SSC Napoli vs. Eintracht Frankfurt
Teamnews: Gestutzte Adlerflügel ohne Kolo Muani?
Luciano Spalletti muss sich keine großen Sorgen machen. Er kann auf alle Stammkräfte zurückgreifen. Einzig der Langzeitverletzte Giacomo Raspadori fehlt weiterhin wegen einer Oberschenkelverletzung. An vorderster Front sind ohnehin andere Spieler gesetzt. Links hinten setzte Spalletti zuletzt vermehrt auf Mathias Olivera. Mario Rui handelte sich 2:0-Erfolg in Empoli eine Rote Karte ein, was Olivera ermöglichte, sich in der Startelf festzusetzen.
Anders sieht die Lage für Oliver Glasner und die SGE aus. Sein Toptorschütze Randal Kolo Muani fehlt gesperrt, Jesper Lindström steht wegen einer Sprunggelenksverletzung nicht zur Verfügung. Zwei extrem bittere Ausfälle. Kolo Muani kann mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten immer für Gefahr sorgen. Lindström deutete im Hinspiel mehrmals an, mit seinem Tempo die gegnerische Abwehrreihe vor Probleme stellen zu können.
Rafael Borré bekommt seine große Chance. Der Kolumbianer verwandelte im Vorjahr den entscheidenden Elfmeter im Europa-League-Finale. Seitdem Kolo Muani in Frankfurt ankam, musste sich Borré aber häufig ins zweite Glied begeben. Sein Potenzial ist unumstritten. Auf den Platz brachte der 27-Jährige dieses 22/23 aber nur selten. In 33 Pflichtspielen erzielte er lediglich drei Treffer und gab vier Assists. Es gilt als gesichert, dass er am Mittwoch in der Startelf stehen wird.
Napoli (4-3-3): Meret – Di Lorenzo, Rrahmani, Kim, Olivera – Lobotka, Zambo Anguissa, Zielinski – Lozano, Osimhen, Kvaratskhelia
Frankfurt (3-4-3): Trapp – Tuta, Jakic, N'Dicka – Buta, Rode, Sow, Max – Kamada, Borré, Götze
Flashscore-Prognose: Neapel erweist sich erneut als übermächtig
Dass man sich bei der Eintracht nicht aufgeben will, ist lobenswert. Viele Spiele in der Fußballhistorie wurden bereits durch Einsatz und Wille entschieden. Im Europapokal war die SGE immer für ein Wunder gut. Doch die SSC Napoli verfügt über außergewöhnliche Qualitäten – sowohl in individueller als auch taktischer Hinsicht. In der aktuellen Verfassung darf man Spallettis Truppe zum erweiterten Kreis der Titelanwärter zählen. Frankfurt hingegen bekam zuletzt immer wieder die eigenen Grenzen aufgezeigt.
Nach einem intensiven und torreichen Spiel verabschiedet sich die Eintracht vom Main aus dem Herzen Europas. Das Spiel endet 3:1 für die Italiener.