"Dann ist der Boxsport tot": DBV nach Olympia-Skandalen vor ungewisser Zukunft
Traurig war Tiafack, der Bronze schon zuvor sicher hatte, deswegen am Mittwochabend nicht: "Ich bin erhobenen Hauptes da raus gegangen." Für den 25-Jährigen war es auf dem Tennisareal Roland Garros der letzte Kampf als Amateur, künftig boxt er auf der Profibühne. Der Europameister von 2022 reißt eine Lücke im deutschen Amateurboxen - er selbst sagt unverblümt: "Bei fast jedem großen Turnier habe ich abgeliefert. Und ich würde auch ganz ehrlich sagen, deren Arsch gerettet."
Das müssen von nun an andere übernehmen, doch die Zukunft ist ungewiss. Tiafack kritisiert die fehlende Förderung, sein Trainer Lukas Wilaschek schimpfte: "Das System kann nicht funktionieren, solange ehrenamtliche Vorstände über den Leistungssport entscheiden."
Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang allerdings auch Probleme auf globaler Ebene: Dem Boxsport droht das Aus bei Olympia. Der skandalumwitterte Weltverband IBA ist seit Jahren außen vor, in Paris organisiert das Internationale Olympische Komitee (IOC) das Boxturnier. Für die Spiele 2028 in Los Angeles ist Boxen vorerst nicht im Programm.
Um die olympische Zukunft des Sports zu retten, steht mit World Boxing ein neuer Weltverband in den Startlöchern. 37 Nationalverbände haben sich ihm bislang angeschlossen. Jens Hadler, Präsident des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV), blickt daher "optimistisch auf die Spiele in vier Jahren".
World Boxing als Hoffnungsschimmer
"Ich gehe davon aus, dass es nach Paris nochmal einen Schub gibt", sagte Hadler dem SID. Ein "point of no return" sei überschritten, es gebe erste Gespräche mit dem IOC. "Ich bin optimistisch, dass World Boxing die olympischen Rechte in absehbarer Zeit erwirbt." Für das deutsche Boxen wäre das immens wichtig. "Mehr als zwei Millionen Euro an Förderung" würde der DBV verlieren, wenn der Boxsport plötzlich nicht mehr olympisch wäre, das rechnete DBV-Sportdirektor Michael Müller zuletzt im Deutschlandfunk vor.
IOC-Präsident Thomas Bach hatte am vergangenen Samstag deutlich gemacht, dass Boxen in Los Angeles nur dann im olympischen Programm sein werde, wenn die Ringe-Organisation "früh im Jahr 2025 einen zuverlässigen Partner" gefunden habe: "Jetzt müssen die nationalen Boxverbände ihre Wahl treffen. Es liegt an ihnen."
Für Nelvie Tiafack ist klar: "Wenn Boxen nicht olympisch bleibt, ist der Boxsport tot." Zahlreichen späteren Profiweltmeistern hat der Olympiasieg einst den Weg ins Big Business geebnet. Muhammad Ali ist ein Beispiel, Wladimir Klitschko ein anderes. Auch Tiafack will das Sprungbrett Olympia nutzen. Ob es ihm weitere aufstrebende Boxer künftig gleichtun können, liegt nicht in ihren Händen.