Formel 1: Sennas Tod in Imola – Der Tag, an dem die Sonne vom Himmel fiel
Es gibt an diesem schicksalhaften Wochenende in Imola Momente, in denen Ayrton Senna darüber nachdenkt, auf den Start zu verzichten. Momente, in denen er gedankenverloren an seinem Williams lehnt und ins Leere starrt. Eindrucksvoll hat der britische Star-Regisseur und Oscar-Preisträger Asif Kapadia diese Szenen in seinem mehrfach prämierten Film "Senna" dokumentiert.
Schon im Freitagstraining überlebt Sennas brasilianischer Landsmann Rubens Barrichello einen schweren Unfall mit viel Glück, er ist kurzzeitig bewusstlos und verpasst den Rest des Wochenendes. 24 Stunden später stirbt der Österreicher Roland Ratzenberger. An seinem Auto hat sich bei 300 km/h der Frontflügel gelöst, das unlenkbare Wrack bohrt sich in der Villeneuve-Kurve in die Mauer.
Eine Tragödie, die Senna enorm aufwühlt und ihn am Sinn seines Tuns erheblich zweifeln lässt. Hinzu kommt, dass er selbst in seinem ersten Jahr bei Williams mit dem modifizierten und schwer steuerbaren Auto schon etliche Dreher hinter sich hat und noch ohne WM-Punkt nach Imola gekommen ist. Am Ende entscheidet er sich für den Start.
Senna war mehr als ein Rennfahrer
Und dann auf einmal liegt er da, lang ausgestreckt auf dem Asphalt. Er liegt einfach dort, vollkommen reglos, während um ihn herum das Treiben immer hektischer, immer atemloser, immer verzweifelter wird. Ärzte, Sanitäter, Streckenposten scharen sich um ihn, doch Ayrton Senna ist nicht mehr da. Leise gleitet er hinüber in die andere Welt. Der König der Rennfahrer ist tot.
An jenem 1. Mai 1994 endet in Imola das Leben eines Mannes, für den der Begriff Superstar neu definiert werden musste. Ayrton Senna da Silva war nicht einfach ein Rennfahrer. Der Brasilianer, Sohn aus gutem und reichem Hause, war der Prototyp eines Menschen, dem das Leben sein ganzes Füllhorn gönnte. Senna war belesen, musikalisch, weltoffen, er spielte Klavier, sammelte Kunst, zitierte altgriechische Philosophen, las Shakespeare und Freud.
Und er fuhr Autorennen. Besser, schneller, spektakulärer, gewagter als andere. Diesen jungen Deutschen namens Michael Schumacher hatte Senna auf der Uhr, es versprach 1994 ein grandioses Duell um die WM zu werden. Die ersten beiden Rennen gewann Schumacher. Senna, 34 Jahre alt, Weltmeister von 1988, 1990 und 1991, hatte sein Auto nach dem Wechsel von McLaren zu Williams noch nicht so recht unter Kontrolle.
Sennas Vermächtnis lebt weiter
Und dann jener fatale 1. Mai 1994. Um 14.17 Uhr schießt Sennas Williams FW16 mit Tempo 330 aus der langgezogenen Tamburello-Kurve geradeaus, das Auto zerschellt wie ein Spielzeugflieger an der Betonmauer. Ein Teil der Radaufhängung durchschlägt Sennas Helm und bohrt sich in seinen Kopf, er hat nicht den Hauch einer Chance. Die Maggiore-Klinik in Bologna gibt 18.40 Uhr als offiziellen Todeszeitpunkt an, doch als er vier Stunden zuvor reglos auf dem Asphalt liegt, ahnt jeder bereits, dass es vorbei ist.
In den 30 Jahren nach Sennas Tod hat die Formel 1 ihr Gesicht komplett verändert, der Tod an der Betonmauer ist ein Mythos aus längst vergangenen Zeiten. Aus jenen Zeiten, als Ayrton Senna die Formel 1 prägte. Sennas Tod, sagte sein enger Freund und früherer Teamkollege Gerhard Berger einst dem Spiegel, "war so, als sei die Sonne vom Himmel gefallen". Die Legende ist unsterblich. Sie lebt weiter. Auch nach 30 Jahren.