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AO: Djokovic will im "vergessenen Finale" gegen Tsitsipas zurück an die Weltspitze

Anton Latuska
Stefanos Tsitsipas (r.) und Novak Djokovic stehen sich im Finale der Australian Open gegenüber.
Stefanos Tsitsipas (r.) und Novak Djokovic stehen sich im Finale der Australian Open gegenüber.Profimedia
In der Wiederauflage des French Open-Endspiels von 2021 trifft Stefanos Tsitsipas im Finale der diesjährigen Australian Open auf Dominator Novak Djokovic. Nach Zweisatzführung verlor der Grieche damals noch gegen den Serben. Es gibt also noch eine offene Rechnung zu begleichen - auch wenn sich beide Spieler nicht mehr daran erinnern.

Als Novak Djokovic auf der Pressekonferenz nach seinem Halbfinalsieg über Tommy Paul nach der Grand Slam-Erfahrung seines Endspielgegners Stefanos Tsitsipas gefragt wurde, antwortete er: "Ich weiß, dass er schon ein paar Mal in den entscheidenden Runden von Grand Slams dabei war. Ein Finale hat er aber noch nicht gespielt, glaube ich. Oder irre ich mich?"

In der Tat irrte Novak Djokovic hier, denn vor erst eineinhalb Jahren stand er selbst dem Griechen beim Endspiel der French Open in Paris gegenüber. Nachdem Tsitsipas die ersten beiden Durchgänge für sich entscheiden konnte, verließen ihn die Kräfte und Djokovic konnte sich doch noch den Fünfsatzsieg sichern. Schon verständlicher ist es da, dass auch der 24-Jährige Gedächtnislücken in Bezug auf den 13. Juni 2021 aufweist: "Ich kann mich auch nicht erinnern", antwortete Mann aus Athen – vielleicht wollte er sich auch nicht erinnern.

Nicht nur in der Welt ist seit Mitte 2021 viel passiert, auch Tsitsipas hat in den letzten 18 Monaten eine beeindruckende Entwicklung hingelegt. Der Mann mit den meisten Siegen auf der Tour im Jahr 2022 hat nach einigen Anlaufschwierigkeiten die nötige Konstanz in sein Spiel bekommen, um gegen ihm unterlegene Gegner praktisch nicht mehr in Schwierigkeiten zu kommen. Schien er nach der Finalniederlage gegen Djokovic niedergeschlagen und vor allem psychologisch angeschlagen zu sein, arbeitete er sich aus dem Tief heraus und kam mit Schwung ins noch junge Kalenderjahr.

Auch bei den Australian Open ein neuer Tsitsipas

Seit elf Spielen ist der Grieche inzwischen ungeschlagen und scheint mit sich selbst im Reinen zu sein: "Ich spiele großartiges Tennis. Ich genieße, was ich tue." Auch mit Rückschlägen ginge er nun anders um und sei "optimitisch und positiv gegenüber jedem Ergebnis und jedem Gegner", auf den er trifft, so der Sieger der ATP Finals 2019. Diese innere Überzeugung zeigte er im bisherigen Turnierverlauf, in dem er in den ersten drei Runden ohne Satzverlust blieb.

Einen Schlüsselmoment überstand Tsitsipas dann gegen den Italiener Jannik Sinner, der ihn in einem entschieden scheinenden Spiel in den fünften Satz zwang. Der Grieche blieb aber ruhig und gewann den letzten Durchgang mit 6:3 und gewann im Anschluss sein Viertelfinalduell gegen den jungen Tschechen Jiri Lehecka vergleichsweise problemlos in vier Sätzen. Gegen Karen Khachanov ging Tsitsipas auch im Halbfinale als Favorit ins Duell und wurde den Erwartungen gerecht: Durch eine starke Quote von 84% gewonnenener Punkte nach erstem Aufschlag dominierte er die Partie und gewann erneut in vier Sätzen.

Auch wenn die Statistik mit zwei Siegen zu zehn Niederlagen gegen Novak Djokovic klar gegen den Griechen spricht, so hat man doch das Gefühl, spätestens seit Beginn des Grand Slams in Melbourne einen neuen Stefanos Tsitsipas zu sehen. In Abwesenheit des Weltranglistenersten Carlos Alcaraz scheint der Athener im Moment der Spieler in der Tenniswelt zu sein, der den übermächtig wirkenden "Joker" noch am ehesten bezwingen kann.

Erst Verletzungssorgen, dann Dominanz

Diese Übermacht lässt sich in erster Linie an Zahlen ablesen: Aus den letzten 32 Spielen hat der Serbe 30 Siege geholt, darunter fielen Titelgewinne in Tel Aviv, Astana, bei den ATP Finals in Turin und beim Vorbereitungsturnier vor wenigen Wochen in Adelaide. Wie Tsitsipas ist auch Djokovic im Kalenderjahr ungeschlagen und hat den Anspruch, unabhängig von seiner Form auf jedem Belag gegen jeden Gegner zu gewinnen.

Auf dem Spiel steht dabei nicht nur der zehnte Sieg bei den Australian Open, sondern auch die Einstellung des Rekordes von 22 Grand Slam-Siegen in der Open-Ära, den momentan Rafael Nadal hält. Gerade in Melbourne scheint sich "Nole" aber besonders wohl zu fühlen: Er gewann die Ausgaben 2019, 2020 und 2021 – und 2022 gewann er wohl nur deshalb nicht, weil er wegen einer fehlenden Corona-Impfung vom Turnier ausgeschlossen wurde. In Zahlen übersetzt macht das beeindruckende 27 Siege bei den Australian Open in Folge.

Dass er bei dieser Ausgabe des "Happy Slam" überhaupt einen Satz verloren hat, liegt offenbar lediglich an Problemen mit dem Oberschenkel, die den 35-Jährigen durch die ersten Runden des Turniers begleitet haben. Nach einem abgegebenen Durchgang gegen den französischen Qualifikanten Enzo Couacaud wähnten viele Experten schon das Aus von Djokovic herbei, doch diese Kritik ließ ihn umso motivierter auftreten, wodurch selbst das eine oder andere Zwicken im Bein zu verschwinden schien.

Novak Djokovic in ärztlicher Behandlung beim Sieg über Grigor Dimitrov.
Novak Djokovic in ärztlicher Behandlung beim Sieg über Grigor Dimitrov.Profimedia

In den weiteren Runden hatte er weder gegen seinen Kumpel Grigor Dimitrov, noch gegen Alex de Minaur oder Andrey Rublev größere Probleme. Auch das Halbfinale gegen Überraschungsmann Tommy Paul aus den USA brachte Djokovic nüchtern und ungefährdet über die Bühne, somit steht der Serbe zum 32. Mal in einem Grand Slam-Finale. Da er seit 2018 neun seiner elf Finals gewonnen hat und bei den Australian Open ohnehin noch nie ein Endspiel verloren hat, geht er auch gegen den starken Stefanos Tsitsipas als klarer Favorit ins Spiel.

Da lässt er sich auch nicht davon ablenken, dass Djokovic von allen Seiten für sein vermeintliches Simulieren der Oberschenkelverletzung kritisiert wird und dass sein Vater nach dem Spiel gegen Tommy Paul mit russischen Fans - inklusive Fahnen mit Putin-Konterfei und Z-Symbol - poste und damit für unangenehme Nebengeräusche sorgte. In der Welt von Novak Djokovic gibt es ohne nur zwei Pole, die sich bekämpfen: sich selbst und die Welt da draußen.

Der Serbe bei seinem letzten Australian Open-Triumph im Jahr 2021.
Der Serbe bei seinem letzten Australian Open-Triumph im Jahr 2021.Profimedia

Ein Sieg in Melbourne würde den "Joker" dorthin zurückbringen, wo er sich selber sieht: an die Spitze der Welt. Die Weltranglistenposition eins ist eine der Belohnungen, die der Sieger des Finals am Sonntag erwarten. Darüber hinaus gibt es die begehrte Norman Brookes Trophy und nicht zuletzt 1.892.245 Euro zu erringen. Alles angerichtet also für ein großartiges Spiel am Sonntagmorgen (9:30 Uhr deutscher Zeit).